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- 75 - Richard Gere und der Buddhismus
Er ist einer der ganz grossen Stars aus Hollywood. Aber damit nicht genug: Seit Jahrzehnten ist Richard Gere praktizierender Buddhist und Freund des Dalai Lama. Ein Gespräch über spirituelles Wachstum, Mitgefühl und die Illusion des Ichs. Sein Ziel sei es, die Welt zu verbessern. Das erklärte Richard Gere anlässlich des Zurich Film Festivals dieses Jahr, an dem er seinen Dokumentarfilm «Wisdom of Happiness» vorstellte. Im eigentlichen Sinn ist der Film eine Unterweisung beim Dalai Lama, in der er für mehr Mitgefühl plädiert, die Zukunft des Planeten zum Thema macht und aufzeigt, welche Verantwortung wir als menschliche Wesen in diesen Belangen haben. Die erste Begegnung von Richard Gere und dem Dalai Lama geht ins Jahr 1982 zurück. Seither hat sich Gere mit Haut und Haar dem tibetischen Buddhismus verschrieben. Er betätigt sich auch als Menschenrechtler, und setzt sich unter anderem für die Freiheit Tibets ein. Die sorgende Aufmerksamkeit für den Mitmenschen, das Mitgefühl mit dem Gegenüber wurde ihm allerdings schon als Kind protestantisch-methodistischer Eltern beigebracht. Mit Olivia Röllin spricht er über das grösste Glück des menschlichen Daseins, das Leben als Theaterspiel und eine Weltgemeinschaft aus Brüdern und Schwestern.
Sat, 23 Nov 2024 - 74 - Krieg und Frieden im Nahen Osten
Hass, Vergeltung, Zerstörung: Der Nahostkonflikt hat Aziz Abu Sarah den Bruder und Magen Inon beide Eltern genommen. Heute treten der Palästinenser Abu Sarah und der Israeli Inon gemeinsam auf, um der verheerenden Gewaltspirale die Vision einer friedlichen Zukunft entgegenzusetzen. Seit dem terroristischen Angriff der islamistischen Hamas auf israelische Dörfer und dem Gegenschlag der israelischen Armee auf Gaza scheinen im Nahen Osten Hass, Vergeltung und Zerstörung zu regieren. Und doch gibt es auch das Gegenteil: Menschen, die Brücken bauen. Der Palästinenser Aziz Abu Sarah hat 1991 seinen Bruder, der Israeli Magen Inon am 7. Oktober 2023 beide Eltern verloren. Heute treten sie gemeinsam auf, um der Spirale der Gewalt Vergebung, Verständnis, ein Gespräch auf Augenhöhe und die Vision einer friedlichen Zukunft entgegenzusetzen. Irgendwann, so die beiden, werden Israeli und Palästinenser zusammenleben, die Frage sei bloss, wie lange das dauere und wie viele Menschenleben man dafür opfern wolle. Olivia Röllin spricht mit Magen Inon und Aziz Abu Sarah über die transformative Kraft der Wut, die Macht der Nächstenliebe, die Momente, die ein Leben für immer verändern, und welche Vision der Zukunft sie haben.
Sat, 09 Nov 2024 - 73 - Im Angesicht des Todes – Wie lebt es sich mit dem Tod?
Der Tod ist nah und doch wird er in der westlichen Gesellschaft weitestgehend ignoriert, bis er eben eintritt. Die Autorin Katja Lewina musste sich nach dem Tod ihres Sohnes ihrer Trauer und ihren Ängsten stellen. In ihrem neusten Buch plädiert sie deshalb für schonungslose Offenheit. Es ist vielleicht das Schlimmste, was Eltern passieren kann: der Tod des eigenen Kindes. Der Autorin Katja Lewina geschah genau dies. Sie verlor ihren siebenjährigen Sohn völlig unerwartet, von einem Tag auf den anderen. Seit drei Jahren leben sie und ihre Familie mit dieser nicht kleiner werdenden Trauer. Unmittelbar danach erhielt sie selbst eine erschütternde Diagnose: Eine lebensbedrohliche und unheilbare Herzerkrankung, die sie nur dank implantiertem Defibrillator überlebt. In ihrem Buch «Was ist schon für immer – vom Leben mit der Endlichkeit» erzählt die 40jährige Autorin wie es ist, wenn das Leben plötzlich in den eigenen Händen zu zerfallen scheint, über fehlende Trauerrituale und darüber, wie diese Schicksalsschläge sie veränderten. Olivia Röllin spricht mit der Autorin über die Tätigkeitswut angesichts unserer Endlichkeit, Unsterblichkeitsphantasien und ob der Tod als Sinnstifter unseres Lebens dienen kann.
Sat, 12 Oct 2024 - 72 - Wie einsam macht das moderne Leben?
Einsamkeit ist weit verbreitet und betrifft Menschen aller Altersgruppen. In Studien geben immer mehr Menschen an, sich oft allein zu fühlen, wobei die Corona-Pandemie diese Tendenz verstärkt hat. Doch Einsamkeit kann auch als Chance und Ressource gesehen werden. Wie gross ist das Problem wirklich? «Kein Mensch ist eine Insel», schrieb der englische Dichter John Donne. Das stimmt. Und deshalb ist es erschreckend, was Studien seit Corona nahelegen: Einsamkeitsgefühle nehmen zu. Nicht nur die Älteren, sondern auch die Jungen zwischen 25 und 30 Jahren sollen am meisten darunter leiden. Von einer Epidemie der Einsamkeit ist die Rede, von einer Gesellschaft der Einsamen und davon, dass Einsamkeit so gesundheitsschädlich sei wie Rauchen. Doch hat das zurückgezogene Leben, die Autarkie nicht auch ihre Vorteile? Macht es uns am Ende nicht sogar gesellschaftsfähiger? Immerhin gibt es unzählige spirituelle Praktiken, die den Rückzug lehren und in der stillen Meditation eine zentrale Übung sehen. Haben wir vielleicht nur verlernt, mit uns selbst, allein zu sein? Der Philosoph Odo Marquard sprach bereits 1983 vom Verlust unserer «Einsamkeitsfähigkeit». Wie einsam sind die Menschen in unserer Gesellschaft wirklich und wie problematisch ist das? Wo liegen die Stärken des Alleinseins? Und was können wir bei alldem von der Weltraumpsychologie lernen? Olivia Röllin fragt nach bei der Politikwissenschaftlerin Diana Kinnert und der Psychotherapeutin Alexandra de Carvalho.
Sat, 28 Sep 2024 - 71 - Bewusst Atmen – Alte Weisheit, moderner Trend
Atmen – es geschieht von selbst, jeden Moment, unser ganzes Leben lang. Doch was passiert, wenn der Atem bewusst wahrgenommen wird? In einer Zeit, in der Hektik und Stress den Alltag bestimmen, gewinnt das Atmen als Praxis der Achtsamkeit und als spirituelle Übung an Bedeutung. Das Atmen begleitet die Menschen von der ersten bis zur letzten Sekunde ihres Lebens. Doch was, wenn man es bewusst tut? Atmen kann eine Brücke sein: zwischen Körper und Seele, zwischen Stress und Gelassenheit, zwischen der eigenen Person und dem Grösseren, das sie umgibt. In einer Zeit, die einem oft den Atem raubt und die Suche nach innerer Ruhe immer drängender wird, ist das bewusste Atmen zu einer wichtigen Praxis geworden. Aber was steckt wirklich dahinter? Und was kann man in einer Zeit, in der Achtsamkeit und Wellbeing-Trends boomen, aus der Weisheit vergangener Jahrhunderte lernen? Vom täglichen Atemzug bis zu den globalen Kämpfen um Atemluft und Gleichheit – Atmen ist viel mehr als nur ein biologischer Vorgang. Im Gespräch mit der Journalistin und Autorin Jessica Braun und dem Zen-Lehrer und Religionswissenschaftler Michael von Brück geht Ahmad Milad Karimi der Bedeutung des Atmens in verschiedenen Kontexten nach: vom medizinischen Verständnis bis zur spirituellen Tiefe. Wie beeinflusst das Atmen das Wohlbefinden? Welche Rolle spielt der Atem in spirituellen Traditionen wie dem Zen-Buddhismus oder Yoga, aber auch im Christentum? Wie verändert er das Bewusstsein und hilft, in einer überreizten Welt innezuhalten? Und warum ist der Atem für viele Menschen ein Symbol für Freiheit und das menschliche Streben nach Gerechtigkeit?
Sat, 21 Sep 2024 - 70 - Jonas Grethlein, sind wir ohne Hoffnung verloren?
Hoffnung macht den Menschen erst zum Menschen, sagt Jonas Grethlein. Der Altphilologe hat dies am eigenen Leib erfahren, als er mit 27 an Krebs erkrankte, die Hoffnung aber nie aufgab. Die Hoffnung hilft, morgens aufzustehen, Krisen zu überstehen und die Welt aktiv zu gestalten. Als Jonas Grethlein mit 27 Jahren die Diagnose Krebs erhält, stürzt das den jungen Wissenschaftler in eine existenzielle Krise. Doch als Altphilologe findet er Hoffnung und Trost bei den alten Griechen. Und in der Bibel. Grethlein schreibt und erzählt von Achill, Odysseus, Abraham und Hiob. Und wie die Hoffnung von einer Emotion zu einer Tugend wurde. Eine Tugend, die uns Menschen erst zu Menschen macht. Denn Hoffnung ist Leben, ohne Hoffnung würden wir sterben, so Grethlein. Jonas Grethlein im Gespräch mit Ahmad Milad Karimi über Abraham, Anne Frank und das Vaterunser, und warum es sich lohnt, auch in hoffnungslosen Zeiten jeden Tag hoffnungsfroh zu beginnen.
Sat, 24 Aug 2024 - 69 - Todsünden – Heute noch relevant?
In einer Zeit, in der Kriege und Konflikte die Welt erschüttern, gewinnt die Frage nach Schuld, Sünde, Vergebung und Erlösung eine vordringliche Bedeutung. Inwiefern sind Menschen in Schuld verstrickt? Und wer erlöst sie von den Sünden? «Geiz ist geil» oder der Völlerei frönen und ohne schlechtes Gewissen beim Essen «sündigen»: Todsünden, die heute oft gar nicht mehr als Sünde gelten, sondern eher als erstrebenswert erscheinen. Doch was bedeuten heutzutage überhaupt «Sünde» oder «Schuld»? Sind die Todsünden wie beispielsweise Neid, Wollust, Habgier, Trägheit oder Hochmut noch relevant? Welche moralische Relevanz haben Sünden, Schuld und Vergehen, wenn sie keine religiöse oder endzeitliche Bedeutung mehr haben, sondern säkularisiert sind? Sind die Menschen über den Beichtstuhl hinausgewachsen und haben sie ihn durch Psychotherapie oder spirituelle Angebote ersetzt? Aus der Einsicht heraus, dass wir uns nicht einfach von unseren Sünden befreien können? Die Diskussion unter der Leitung von Ahmad Milad Karimi mit Beate Weingardt, evangelische Theologin und Psychologin, und mit Joe Bausch, Schauspieler («Tatort», «Im Kopf des Verbrechers») und ehemaliger Gefängnisarzt.
Sat, 22 Jun 2024 - 68 - Was ist der Sinn des Lebens, John Strelecky?
Erst wollte es niemand publizieren, dann wurde das Buch zum Bestseller: «Das Café am Rande der Welt» von John Strelecky. Seither wird Strelecky gerne als Motivationsredner und Sinncoach gebucht. Ein Gespräch über die Suche nach Lebenssinn, Religion und das grosse Ganze, das die Welt zusammenhält. Der US-amerikanische Bestsellerautor John Strelecky ist ein Reisender, ein Suchender, der mit seinen millionenfach verkauften Büchern, übersetzt in 33 Sprachen, Menschen mit dem Versprechen erreicht, dass jede und jeder sein Leben verändern und einen Sinn darin entdecken kann. Worum geht es wirklich im Leben? Spielen dabei Gott, der Glaube, Religionen überhaupt noch eine Rolle für diese Sinnsuche? Und welchen Sinn hat es, wenn es uns als Individuum gelingt, selbigen zu finden, wenn rundherum Menschen in Armut, Kriegen und Konflikten unter unwürdigen Bedingungen ihr Dasein fristen? Oder anders gefragt: Ist die Sinnfrage ein Privileg der Menschen, die in Sicherheit, Frieden und Wohlstand leben? Ein Gespräch mit John Strelecky unter der Leitung von Ahmad Milad Karimi.
Sat, 15 Jun 2024 - 67 - Was ist ein gutes Leben, Lukas Bärfuss?
Seit genau 100 Jahren wird auf dem Einsiedler Klosterplatz über die zentralen Fragen des menschlichen Daseins verhandelt. Durch das grosse Welttheater, 1655 von Pedro Calderón de la Barca verfasst. Heuer hat der Schriftsteller Lukas Bärfuss dem in die Jahre gekommenen Stück neues Leben eingehaucht. Das Stück handelt genauso vom Glück, wie der Suche danach und den Rollen, die die Menschen in der Geschichte der Welt spielen. Der Autor hat selbst ein bewegtes Leben hinter sich: Er verliess nach neun Jahren die Primarschule und arbeitete unter anderem als Tabakbauer, Eisenleger, Gabelstaplerfahrer und Gärtner. Zwischen seinem 16. und 20. Lebensjahr war er ohne festen Wohnsitz und lernte, «was es heisst, arm zu sein in einem Land, in dem es Armut eigentlich nicht geben sollte». Später wurde er Buchhändler und Schriftsteller, 2019 Büchner-Preisträger. Was ist ein gutes Leben für ihn? Wie beeinflusst die eigene Biographie die Antwort auf diese Frage und wie verhindert man, am Gewicht dieser Frage zu verzweifeln? Im Gespräch mit Olivia Röllin bespricht Lukas Bärfuss die Aufgabe der Literaten in der Welt, warum man seine Rolle im Leben oft erst versteht, wenn sie schon abgespielt ist und wer eigentlich über unser Leben richtet, wenn es kein Jenseits gibt.
Sat, 08 Jun 2024 - 66 - Wie befreien wir uns vom Hass, Delphine Horvilleur?
Die Fronten sind verhärtet, die Meinungen gemacht. Seit dem 7. Oktober 2023 stehen sich im Nahostkonflikt zwei Lager unversöhnlich gegenüber. Unabhängig davon, was Regierungen entscheiden und Völker ertragen müssen: Welche Worte findet man angesichts menschlicher Grausamkeiten und unfassbarem Leid? Delphine Horvilleur, in Frankreich eine bekannte und äusserst geschätzte Intellektuelle, hat am eigenen Leib erfahren, wie schwierig es ist, in den heikelsten Situationen eines menschlichen Lebens die rechten Worte zu finden. Als eine von drei Rabbinerinnen in Frankreich gehört es zu ihrem Alltag, Menschen im Sterben und jene, die danach zurückbleiben, zu begleiten. Seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel und dem seither andauernden Krieg Israels gegen Gaza sei aber vieles anders. Die Anfeindungen und Unsicherheiten, der trennende Hass, nähmen zu, und gleichzeitig möchte Horvilleur nach wie vor Brücken bauen, für den Dialog eintreten, dem Unsagbaren etwas entgegenhalten. Für sie ist klar: Nur wenn man offen dafür bleibt, auch den Schmerz der anderen wahrzunehmen, ist Hoffnung in dieser Welt möglich. Im Gespräch mit Olivia Röllin spricht Delphine Horvilleur über die verbindende Kraft von Geschichten, die Magie der Sprache und weshalb die Menschen nicht nur das sind, was ihnen widerfährt.
Sat, 04 May 2024 - 65 - Hindu-Nationalismus – Zerreissprobe für Indien
Seit Narendra Modi vor 10 Jahren das Amt des Premierministers von Indien übernahm, begann eine neue Phase der Unterdrückung anderer Religionsgemeinschaften. Seine Regierungspartei BJP fördert einen nationalistischen Hinduismus und verbreitet Hass gegen die muslimische Minderheit. Warum? Seine Signale anfangs 2024 waren klar: Mit einer grossen Zeremonie hatte Indiens Premier Modi einen neuen Hindu-Tempel eingeweiht. Ein umstrittenes Gebäude, zumal es auf den Ruinen einer Moschee erbaut wurde, die 1992 von nationalistischen Hindus zerstört worden war. Die anschliessenden Unruhen forderten 2000 Tote. Expertinnen und Experten berichten von einem Klima der Angst innerhalb der muslimischen Minderheit, die die Hindutva-Ideologie des Premierministers Narendra Modi am stärksten zu spüren bekommt. «Indien den Hindus» ist die Überzeugung, die Modi mit der Regierungspartei BJP vertritt und damit eine Triebfeder für Gewalt darstellt. Ausgrenzung, Hassreden und Gewaltausbrüche setzen den Musliminnen und Muslimen zu. Diskriminierende Gesetze machen sie zu Staatenlosen. Einige Beobachter warnen gar vor einem Genozid. Wer ist Narendra Modi? Wohin steuert er den Vielvölkerstaat Indien? Droht aus der «grössten Demokratie der Welt» ein totalitäres System zu werden? Wie steht es mit den säkularen Grundwerten Indiens und was geschieht mit den religiösen Minderheiten? Olivia Röllin im Gespräch mit Angelika Malinar, Indologin, und Oliver Schulz, Journalist, Indien-Experte und Soziologe.
Sat, 13 Apr 2024 - 64 - David Steindl-Rast über den Sinn des Lebens und der Dankbarkeit
Er ist Zen-Meister, Benediktinermönch, Psychologe und geübter Einsiedler. David Steindl-Rast gilt als einer der bekanntesten spirituellen Lehrer der Gegenwart. Mit Olivia Röllin spricht er über die Suche nach dem richtigen Lebensweg, den allgegenwärtigen Tod und warum es sich lohnt, dankbar zu sein. Er gilt als einer der bekanntesten spirituellen Lehrer der Gegenwart und kann auf fast 100 Jahre Erdgeschichte zurückblicken. David Steindl-Rast wird dieses Jahr 98 Jahre alt. Er ist Benediktinermönch und Zen-Meister, promovierter Psychologe und hat lange in den USA gelebt, immer wieder auch als Einsiedler. Sein Lebensthema ist die Dankbarkeit. Ein Gespräch über die grossen Fragen des Lebens, auf die es nicht immer eine Antwort gibt. Im Austausch mit Olivia Röllin erläutert Bruder David, warum man Dinge immer wieder so tun sollte, als wäre es das erste Mal, weshalb man nicht nur einmal stirbt und dies nie das Ende bedeutet und warum ein Leben mit Besitz und Reichtum ihn nicht zu reizen vermochte.
Sat, 16 Mar 2024 - 63 - Streitfrage – Sollen wir Tiere essen?
Wir hätscheln oder wir essen sie: Tiere. Das Rind landet als Steak auf unserem Teller, mit dem Pudel gehen wir zum Frisör und lassen ihn in unser Bett. Woher kommt diese Kluft zwischen beseeltem Tier und Nahrungsmittel? Welche Haltungen haben die Religionen zum Tiere töten und verzehren? Pro Kopf verzehren die Schweizerinnen und Schweizer jedes Jahr knapp 51 Kilogramm Fleisch. Dies trotz «Veganuary», dem einmonatigen Fleischverzicht anfangs Jahr, oder jenen Menschen, die sich gänzlich vegetarisch oder vegan ernähren. Dass Tiere Mitgeschöpfe sind, damit können sich viele identifizieren. Doch was der Mensch mit ihnen tun darf, darüber scheiden sich die Geister. Einige Religionen haben spezifische Vorschriften und Rituale für den Verzehr von Fleisch. So kennen Muslime und Jüdinnen z.B. das Schächtgebot und das Verbot von Schweinefleisch. Andere Religionsgemeinschaften – z.B. Hindus – betonen den Respekt vor allen Lebewesen und bevorzugen eine vegetarische oder vegane Ernährung. Kühe, die als heilig gelten, werden gänzlich verschont. Die Bibel betont die Verantwortung des Menschen gegenüber der Schöpfung. Gleichzeitig soll Gott den Menschen die Tiere zur Nahrung gegeben haben. In den USA berufen sich verschiedene christliche Gruppen auf Fleischverzicht als religiöse Pflicht. Sie argumentieren, der Körper sei ein Geschenk Gottes, und müsse möglichst gesund gehalten und von Fleisch, welches unrein gilt, ferngehalten werden. Verrechnet man die Interessen des Menschen mit denen der Tiere, kann man feststellen, dass der Genuss gegenüber dem Leben des Tieres siegt. Ist dies richtig und ethisch vertretbar oder sollte ein Umdenken stattfinden? Was bedeutet es für die Tiere, gezüchtet und gehalten zu werden, um schlussendlich oft früh zu sterben und gegessen zu werden? Rechtfertigen gute Haltung und schonende Schlachtmethoden unser Tiere-Essen? Die Streitfrage im Haus der Religionen in Bern unter der Leitung von Olivia Röllin mit Simone Horstmann, kath. Theologin, Jens Schlieter, Religionswissenschaftler, Jehoschua Ahrens, Rabbiner, Nils Müller, Landwirt und Pionier für Weidetötungen.
Sat, 09 Mar 2024 - 62 - Rumi – Dichter und Seelengefährte
Er predigte Leidenschaft, Liebe und Frieden: Der islamische Mystiker, Dichter und Philosoph Rumi. Und er zählt zu den bekanntesten und am meisten gelesenen Dichtern weltweit. Auch mehr als 750 Jahre nach seinem Tod. Woher kommt diese Faszination? Und was macht ihn heute noch aktuell? Dschal?l ad-D?n Muhammad R?m?, kurz Rumi (1207-1273) genannt, war ein persischer Sufi-Mystiker, Gelehrter und einer der bedeutendsten persisch-sprachigen Dichter des Mittelalters. Er gilt als geistiger Vater des Ordens der tanzenden Derwische. Seine Anhänger gaben ihm den Beinamen Maulana (unser Meister), nach dem der Mevlevi-Derwisch-Orden benannt ist. Seine Gedichte sind tiefgründig, spirituell und oft metaphorisch. Sie behandeln Themen wie Liebe, Spiritualität, Sehnsucht und die Suche nach dem Göttlichen. Rumi verstand es, die menschliche Seele zu berühren und die tiefsten Gefühle auszudrücken. Rumi hinterließ ein reiches literarisches Erbe, das bis heute bewundert wird. Seine Werke wurden in viele Sprachen übersetzt. In den Vereinigten Staaten soll er zu einem der meistverkauften Dichter gehören. Ein herausragendes Werk von Rumi ist sein Mathnawi, ein über 25.000 Verszeilen umfassendes Epos, das als Koran in persischer Sprache gilt. Er soll seine Verse grösstenteils in einer Art Verzückung diktiert haben. Woher kommt diese weltweite Faszination für das Werk Rumis? Was ist die Bedeutung seiner Poesie? Wie hat er die Sufi-Tradition beeinflusst? Und wie aktuell ist er heute noch – gut 750 Jahre nach seinem Tod? Ahmad Milad Karimi im Gespräch mit Otto Höschle, Rumi-Übersetzer, und Peter Hüseyin Cunz, Scheich (Lehrbeauftragter) des Sufi-Ordens der Mevlevi.
Sat, 02 Mar 2024 - 61 - Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit in der Schweiz
Judenhass und Islamfeindlichkeit nehmen zu. Die weltpolitische Lage, Terroranschläge, Kriege, Flucht- und Migrationswellen führen zu Unsicherheit und zu Hass. Wie zeigen sich Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus in der Schweiz? Wie hängen sie zusammen? Und was kann man dagegen tun? Kopftuch tragende Musliminnen werden beschimpft, Juden trauen sich nicht mehr mit Kippa auf die Strasse. Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus sind in Europa und auch in der Schweiz auf dem Vormarsch. Nicht nur der Rechtspopulismus trägt zu diesen Gesinnungen bei, sondern auch die weltpolitische Lage, Terroranschläge, Kriege, Flucht- und Migrationswellen. Wie lassen sich dieser Hass, diese Diskriminierung, diese Rassismen erklären? Woher kommen sie und warum werden sie zu einer Haltung – in einer demokratischen, pluralen und vor allem freien Gesellschaft? Wo stehen wir diesbezüglich heute in der Schweiz? Welche Rolle spielt die Religion? Und vor allem: Wie kann diese Negativentwicklung gestoppt werden? Olivia Röllin im Gespräch mit Elham Manea, Politologin, Menschenrechtlerin und Autorin, und dem Historiker Zsolt Balkanyi, Präsident der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, Rektor der jüdischen Schule Noam in Zürich und jüdischer Armeeseelsorger.
Sat, 17 Feb 2024 - 60 - Evangelikale – Mit Gottes Hilfe an die Macht
Was mit dem amerikanischen Erweckungsprediger Billy Graham begann, erreichte mit Donald Trump einen vorläufigen Höhepunkt: der Einfluss weisser Evangelikaler auf die US-Politik. Woher rührt ihr politischer Erfolg? Und: Welchen Einfluss haben die religiösen Rechten in Europa? Rund 80 Prozent der weissen Evangelikalen haben 2016 und 2020 für Donald Trump als Präsidenten gestimmt. Im Gegenzug hat er sich in seiner Amtszeit für ihre Anliegen eingesetzt: Er hat drei konservative Richter und Richterinnen für den Obersten Gerichtshof nominiert. Dieser kippte dann 2022 das landesweite Recht auf Abtreibung. Trump anerkannte auch Jerusalem als Israels Hauptstadt und verlegte die US-Botschaft dorthin. Die Allianz zwischen Trump und christlichen Fundamentalisten zeigte sich erneut bei den Vorwahlen im Januar dieses Jahres, etwa in Iowa, wo der Wahlkampf auch als apokalyptische Schlacht zwischen Gut und Böse inszeniert wird. Trump als Erlöserfigur und die USA als gelobtes Land? Wie stark und wie gefährlich ist der Einfluss der religiösen Rechten auf die US-Politik? Und wie gestaltet sich dieser Einfluss in Europa? Olivia Röllin im Gespräch mit Annika Brockschmidt, Journalistin und Autorin von «Amerikas Gotteskrieger» und «Die Brandstifter», und mit Dorothea Lüddeckens, Religionswissenschaftlerin, Universität Zürich.
Sat, 10 Feb 2024 - 59 - Konfuzius und sein Einfluss auf Chinas Politik
Xi Jinping, Chinas Präsident, lässt aufleben, was Mao einst bekämpfte: den Konfuzianismus. Was hat Konfuzius mit der aktuellen Chinapolitik zu tun? Was hat es mit der Renaissance dieses Weisen auf sich und was wollte Konfuzius vor über 2500 Jahren mit seiner Lehre? Nach der Gründung der Volksrepublik China 1945 und spätestens ab der brutal durchgesetzten Kulturrevolution 1966 verlor Konfuzius und die mit ihm verbundene Lehre an Bedeutung in China. Man versuchte damit eine neue Gesellschaft zu schaffen, die buchstäblich nichts der Vergangenheit und der Tradition verdankt, erklärt der Literaturwissenschaftler Andrew Hui, der seine Kinderjahre in Hong Kong verbrachte und zu Konfuzius publiziert. In den vergangenen 30 Jahren allerdings hat sich die chinesische Führung den Konfuzianismus wieder zu eigen gemacht. Die regierende Kommunistische Partei Chinas feiert ihn nun als Symbol chinesischer Kultur und Identität. Gleichzeitig hat sie sich offenkundig nicht vom Kommunismus losgesagt. Wie vertragen sich die uralte Tradition des Konfuzianismus mit der Lehre von Marx? Wie stellte sich Konfuzius eine ideale Gesellschaft vor? Welche Rolle nimmt das Individuum dabei ein und was würde Konfuzius zur aktuellen Chinapolitik sagen? Olivia Röllin im Gespräch mit Andrew Hui, Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.
Sat, 27 Jan 2024 - 58 - Bertrand Piccard – Von Höhenflügen und vom Scheitern
Sein Grossvater Auguste flog höher als alle anderen, sein Vater Jacques tauchte tiefer. Dann war es an Bertrand Piccard, Pioniertaten zu vollbringen. Was treibt ihn an bei Grenzerfahrungen und Himmelsnähe? Der Psychiater und Umweltpionier über das glückliche Leben und die Rolle der Spiritualität. Seit seiner Jugend fühlte sich Bertrand Piccard zur Fliegerei hingezogen. Er umrundete als erster Mensch die Welt in einem Ballon und später in einem Solarflugzeug. Selbst mehrere Misserfolge hielten ihn nicht von Neuanfängen ab. Mit seiner Ausbildung zum Psychiater und Psychotherapeuten wollte er herausfinden, wie sich Menschen in Extremsituationen verhalten. Heute hat sich der 65-Jährige vor allem dem Klimaschutz verschrieben. Im Gespräch mit Olivia Röllin erzählt Bertrand Piccard: Welche Kultur muss in einer Familie herrschen, damit Kinder ihren Wunschtraum verfolgen? Wie viel Risiko braucht ein glückliches Leben? Was hat ihn das Scheitern gelernt? Und warum glaubt er an die Wiedergeburt?
Sat, 20 Jan 2024 - 57 - Armut in der Schweiz – Wie helfen?
Die Armut in der Schweiz nimmt zu: Gassenküchen haben doppelt so grosse Nachfrage, Caritas-Läden mit vergünstigten Produkten deutlich mehr Kunden und immer mehr Menschen können sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten. Ein Gespräch über die breiter werdenden Ränder der Gesellschaft. Immer häufiger wird das Geld knapp: Gemäss neuen Zahlen des Bundesamts für Statistik ist fast jede zehnte Person in der Schweiz von Armut betroffen. Bereits jede fünfte Person kann eine unerwartete Rechnung von 2000 Franken, wie z.B. eine Zahnarztrechnung, nicht mehr bezahlen. Wohltätigkeitsorganisationen schlagen Alarm. Diverse gemeinnützige Vereine sind am Limit und verzeichnen gleichzeitig kaum neue Spendeneinnahmen. Wie verändern sich die «Ränder» unserer Gesellschaft? Was geschieht mit Menschen, die in die Armut oder Bedürftigkeit abrutschen? Wie entsteht ihre Not und wie wird ihnen geholfen? Die Diskussion unter der Leitung von Olivia Röllin mit Corinne Dobler, reformierte Pfarrerin, Seelsorgerin, Mitarbeiterin Pfuusbus (Sozialwerk Pfarrer Sieber), Amine Diare Conde, ehem. Flüchtling aus Guinea, Gründer «Essen für Alle», Karl Wolf, katholischer Pfarrer, Gassenarbeiter Verein Incontro, Psychotherapeut, und Thomas Thümena, Filmproduzent, Regisseur des Dokumentarfilms «Himmel über Zürich».
Sat, 30 Dec 2023 - 56 - Gert Scobel – Wozu eigentlich meditieren?
Meditation und Achtsamkeit boomen seit einigen Jahren. Doch wie sinnvoll ist das stille Sitzen auf dem Kissen? Wieviel hat der Achtsamkeitshype mit Buddhismus zu tun und wie hält man eine jahrzehntelange Meditationspraxis aufrecht? Olivia Röllin im Gespräch mit Gert Scobel. Schon mit 16 begann der Fernsehmoderator, Philosoph und Theologe Gert Scobel zu meditieren. Die Faszination hat ihn seither nie mehr losgelassen. Inzwischen diskutiert er auf Podien mit dem Dalai Lama und schreibt Bücher darüber, was das bewusste Atmen und der leere Geist im Menschen Positives auslösen können. Oder er spricht in der nach ihm benannten TV-Sendung mit buddhistischen Mönchen über die Verbindung von Meditation und Kreativität. Doch Scobel sieht im aktuellen Mindfulness-Trend, der einfachen Zugänglichkeit und der enormen Kommerzialisierung von Meditationstechniken auch Gefahren und Probleme. Was hat Achtsamkeit mit Meditation zu tun? Weshalb haben solche fernöstlichen Methoden einen so grossen Zulauf? Was heisst eigentlich Erleuchtung oder Erwachen? Und wie klar ist ein Geist, der über Jahrzehnte meditativ trainiert wurde? Das bespricht Olivia Röllin im Gespräch mit Gert Scobel.
Sat, 09 Dec 2023 - 55 - Reinhold Beckmann – Mit ungelebtem Leben leben
Reinhold Beckmann, Moderator, Talkshow-Gastgeber, Dokumentarfilmer und Musiker, hat seine vier Onkel nie kennengelernt. Sie sind alle im Zweiten Weltkrieg gefallen. Seine Mutter hat ihm deren Geschichten vermacht. Und Geschichten über das, was der Krieg mit Menschen macht, wenn keiner zurückkehrt. Kurz vor ihrem Tod hat Reinhold Beckmann von seiner Mutter einen Schuhkarton voller Briefe erhalten. Es waren die Feldpostbriefe ihrer Brüder. Die vier blutjungen Männer hatten sie von den Fronten des Zweiten Weltkriegs geschrieben. Keiner von ihnen kehrte zurück. Beckmanns Mutter hatte – im Gegensatz zu vielen anderen – offen über die Kriegszeit und ihre Verluste gesprochen, trotz aller Schicksalsschläge. Ihre Seele sei nie verbogen gewesen, schreibt Reinhold Beckmann in seinem Buch «Aenne und ihre Brüder – Die Geschichte meiner Mutter». Woher kam diese Kraft? Welche Rolle spielte der Glaube? Gibt es etwas Unverlierbares in uns Menschen? Und was geschieht mit all diesem ungelebten Leben der jungen Männer, die nicht vom Krieg zurückkehrten? Ein Gespräch mit Reinhold Beckmann unter der Leitung von Ahmad Milad Karimi.
Sat, 25 Nov 2023 - 54 - Streitfrage Prostitution – (K)ein Thema für die Religionen?
Wenn sich Religionen zu Fragen der Sexualität äussern, steht oft die partnerschaftlich orientierte Sexualität im Fokus. Kommerzialisierte Formen wie Prostitution werden ausgeblendet. Ist Prostitution Sünde? Unmoralisch? Gegen die Menschenwürde? Die Streitfrage im Haus der Religionen in Bern. In der Schweiz ist Prostitution seit 1942 legal. Sexarbeit wird heutzutage faktisch akzeptiert, gesellschaftlich aber immer noch verurteilt. Diverse Länder in Europa möchten das Gewerbe mit dem sogenannten «nordischen Modell» eindämmen, bei dem Freier und Bordellbetreiber bestraft werden. Für Sexarbeiterinnen soll es Ausstiegshilfen geben. Eine Diskussion, die auch das Europäische Parlament und die Schweiz erreicht hat. Soll man Sex kaufen dürfen? Oder Prostitution verbieten? Und wie steht es mit der Menschenwürde und der Freiwilligkeit von Sexarbeiterinnen? Ist Sexarbeit ein Beruf wie jeder andere? Was sagt die theologische Ethik zu diesen Fragen und wie gehen die verschiedenen Religionen mit dem Phänomen Prostitution um? Unter der Leitung von Olivia Röllin diskutieren im Haus der Religionen in Bern Nathalie Eleyth, evangelische Sexualethikerin, Theologin und Religionswissenschaftlerin, Lilian Studer, Präsidentin Evangelische Volkspartei der Schweiz (EVP), Schwester Ariane, Gassenarbeiterin, katholische Theologin und Gründerin Verein «Incontro», Jay, Sex-Workerin, Mitglied Sexworkers Collective, und Martin Bachmann, Sexualtherapeut, ehemaliger Berater «Mannebüro» Zürich.
Sat, 11 Nov 2023 - 53 - Israel/Palästina – Wie weiter im Land des religiösen Zwistes?
Der Konflikt um das Heilige Land ist erneut ausgebrochen, in einer noch nie dagewesenen Heftigkeit. Warum ist dieser Landstrich derart umkämpft? Was hat das alles mit Religion zu tun? Und welcher Friede ist jetzt noch möglich? Der Nahostkonflikt war nie weg, aber jetzt schaut die Öffentlichkeit wieder hin. Der Terroranschlag der radikalislamistischen Hamas auf Israel, Vergeltungsangriffe Israels auf das von der Hamas regierte Gaza. Tausende von Zivilisten, die unfassbares Leid erfahren. Ein trauriger und entsetzlicher Höhepunkt einer Gewaltspirale, die sich immer weiterdreht. Wo liegen die Wurzeln dieses Konflikts? Welche Rolle spielen Religionen, welchen Stellenwert haben unterschiedliche Narrative? Was geschah vor der Staatsgründung Israels, warum wurde der Status von Jerusalem nie zu Ende verhandelt und welche Friedensvisionen gibt es jetzt noch? Olivia Röllin spricht mit dem Islamwissenschaftler Reinhard Schulze und dem Judaisten und Theologen Christian Rutishauser.
Sat, 28 Oct 2023 - 52 - Welche Menschen wollen wir sein?
Die Welt ist aus den Fugen. Kriege, Klima, Flüchtende, Pandemien – irgendwie herrscht permanent Krise. Doch das sei nicht unsere Schuld, sagen Carel van Schaik und Kai Michel und weisen uns den Weg, wie wir da wieder rauskommen: mit Mündigkeit und einem Blick, der tief in die Vergangenheit reicht. Selbstoptimierung, Achtsamkeit, Übungen zu mehr Resilienz – ohne dieses Rüstzeug, so scheint es zumindest, kommt heute kaum noch jemand aus. Die Strategien, um die beschleunigte Gegenwart zu bewältigen, sagen viel über die innersten Bedürfnisse aus, sagen der Evolutionsbiologe Carel van Schaik und der Historiker Kai Michel. Einmal mehr schauen die beiden Wissenschaftler sehr weit zurück, um die aus den Fugen geratene Gegenwart zu verstehen und behaupten: Wir seien nicht gemacht für die Welt, in der wir heute leben. Dass sie uns dennoch normal erscheint, sei ohne Religion nicht zu verstehen, sie sei die Normalisierungsmaschine schlechthin. Wie viel Urmensch steckt noch in uns? Weshalb kommen wir mit dem Status quo dieses Planeten nicht klar und welche Rolle spielt die Religion, wenn es darum geht, sich der Gegenwart anzunähern? Diesen Fragen geht Olivia Röllin im Gespräch mit dem Anthropologen Carel van Schaik und dem Historiker Kai Michel nach.
Sat, 14 Oct 2023 - 51 - Rudolf Steiner und die Anthroposophie
Rudolf Steiner hat fraglos ein grosses Erbe hinterlassen: von den Steiner-Schulen über Demeter bis zu Weleda. Wer aber war der umstrittene Begründer der Anthroposophie? Woran glaubte er wirklich? Das klären Yves Bossart und Olivia Röllin in einer Begegnung der Sternstunden Religion und Philosophie. Vor rund hundert Jahren hat der Österreicher Rudolf Steiner in vielen Lebensbereichen wegweisende Impulse gegeben: Von der Pädagogik über die biodynamische Landwirtschaft und anthroposophische Medizin bis zur Architektur und dem Bankenwesen. Doch immer wieder wird Kritik laut, an Steiners Schriften, die klare deutschnationalistische Züge aufweisen, oder an Steiner Schulen, die sich teilweise den Corona-Massnahmen widersetzten. Weshalb? Welches Weltbild verbirgt sich hinter der «Anthroposophie»? Was hat es mit Steiners Glauben an «Hellseherei», «Karma» und «Astralleibern» auf sich? Um diese Fragen zu klären, besucht Olivia Röllin eine Steiner Schule in Münchenstein bei Basel und das Goetheanum, den Sitz der «Allgemeinen anthroposophischen Gesellschaft» in Dornach. Yves Bossart spricht im Studio mit der Anthroposophin und Steiner-Biografin Martina Maria Sam und mit dem Anthroposophie-Kritiker und Religionsphilosophen Ansgar Martins.
Sat, 07 Oct 2023 - 50 - Suizid – Sünde oder Freiheit?
Weltweit sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Gewalt. Ihre Schicksale sind jedoch oft unsichtbar, das Thema ist Tabu. Für viele ist der Suizid eine Sünde gegen Gott oder zumindest Symptom einer Krankheit. Andere sehen im «Freitod» den ultimativen Akt menschlicher Autonomie. Der Philosoph Walter Benjamin bezeichnete den Suizid als die «Quintessenz der Moderne». Wenn der «Selbstmord» keine Sünde mehr ist gegen Gott, wird er dann zum letzten Akt des freien Willens? Wann aber ist ein Suizidwunsch wirklich frei – und wann bloss das Symptom einer Notsituation oder einer Krankheit wie der Depression? Und welche Verantwortung hat man gegenüber den Hinterbliebenen? Philosophie und Theologie beschäftigen sich seit jeher mit diesen schwierigen Fragen am Lebensende, mit dem Verhältnis von Freiheit und Tod. Die Sendungen «Sternstunde Philosophie» und «Sternstunde Religion» widmen sich darum gemeinsam dem Tabuthema Suizid: Olivia Röllin besucht das Kriseninterventionszentrum (KIZ) in Winterthur und Yves Bossart spricht mit der evangelischen Theologin Dorothee Arnold-Krüger und dem Philosophen und Mediziner Matthias Bormuth.
Sat, 30 Sep 2023 - 49 - Lilian Thurams Kampf gegen den Rassismus
Lilian Thuram ist einer der grössten Fussballer, die Frankreich je hatte, und ein vehementer Kämpfer gegen Ausgrenzung und Rassismus. Der französische Rekordnationalspieler ist seit dem Ende seiner Sport-Karriere Buchautor und in der antirassistischen Aufklärungsarbeit aktiv. «Man wird nicht weiss geboren, man wird dazu gemacht» schreibt Lilian Thuram in seinem neuesten Buch «Das weisse Denken». Er spricht aus eigener Erfahrung. Mit 9 Jahren kam Thuram aus Guadeloupe nach Paris. Als ihn die Mitschüler als «dreckigen Schwarzen» bezeichnen, versteht er zuerst die Welt nicht. Die Antwort seiner Mutter darauf: «Die Menschen sind nun mal rassistisch. Das wird sich nicht ändern.» Es scheint fast, als wäre diese Erfahrung die Initialzündung gewesen für Thurams spätere Beschäftigung mit dem Thema. Fortan beginnt er sich zu fragen, woher Rassismus kommt und welche Strukturen dafür verantwortlich sind, dass dieser in unserer Gesellschaft so hartnäckig bestehen bleibt. Seine Erkenntnis: Im Grunde geht es nicht um Hautfarben, sondern um gesellschaftliche und politische Konstrukte, die Ausbeutungsstrukturen legitimieren - vom Kolonialismus über die Sklaverei bis in die heutige Zeit. Dass dabei auch Jesus «weissgewaschen» wird, ist nur eine Spielart des sogenannt «weissen Denkens». Olivia Röllin im Gespräch über die verbindende und entzweiende Kraft von Fussball, die Hautfarbe Gottes und verzerrte Perspektiven auf die Welt.
Sat, 23 Sep 2023 - 48 - Gehört der Zölibat abgeschafft?
Es gibt gute Gründe, heute auf den Pflichtzölibat zu verzichten, dies meint der renommierte Kirchenhistoriker und Priester Hubert Wolf. Deshalb fordert er ein Ende der Zölibatspflicht. (Wiederholung vom 27.10.2019) Die Missbrauchsskandale innerhalb der römisch-katholischen Kirche aber auch der enorme Priestermangel lassen die Rufe nach der Abschaffung des Pflichtzölibats wieder laut werden – er stelle ein Risikofaktor dar, sind sich einige sicher, andere sehen im Zölibat gar den Grund für die Missbräuche. Doch die Diskussion um den Zölibat ist Jahrhunderte alt. Klar ist: Die Lebensform von Geistlichen steht unter grossem Druck. Muss der Zölibat als Grundpfeiler der Kirche verstanden oder kann ohne Traditionsverlust darauf verzichtet werden? Wie ist der Zölibat entstanden und was sagt die Bibel? Im Gespräch mit Olivia Röllin stellt Hubert Wolf den Zölibat auf den kirchenhistorischen Prüfstand
Sat, 16 Sep 2023 - 47 - Wolfram Gössling – Mit Hoffnung dem Krebs begegnen
Krebs. Niemand will diese Diagnose bekommen. Wolfram Gössling hat sie zwei Mal erhalten. Und unzählige Male selbst gestellt. Der deutsche Onkologe und Autor über Kontrollverlust, Demut, Liebe und die Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Willenskraft. Niemand will die Diagnose Krebs bekommen. Wolfram Gössling hat sie zwei Mal erhalten. Und er weiss sehr gut, was das heisst, denn er ist Onkologe, Spezialist für Leberkrebs. Von einem Tag auf den anderen verändert sich alles. Die Krankheit und ihre Behandlung haben Körper, Geist und Seele fest im Griff. Alles, was man einst selbst in der Hand hatte, muss man nun an Eltern, Partnerin, Kinder delegieren. Ob man wieder gesund wird, weiss man nicht. Bei Wolfram Gössling zumindest standen die Chancen sehr schlecht dafür. Wolfram Gössling spricht und schreibt drei Jahre nach dem Rückfall über seine lebensverändernde Diagnose und Behandlung. Damit will er Mut machen und aufzeigen, was es bedeutet, mit einer solchen Diagnose konfrontiert zu werden. Denn: Krebs sei immer noch ein Tabu, obwohl derart viele Menschen davon betroffen seien. Olivia Röllin spricht mit ihm über die Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Willenskraft, den Trost im scheinbar Ausweglosen, über die Kraft der Liebe, und warum die Hoffnung nie stirbt, auch nicht zuletzt.
Sat, 09 Sep 2023 - 46 - Markus Gabriel – Was ist der Sinn Gottes?
«Der erste Sinn des Lebens ist, zu erfassen, dass es keinen gibt»: Markus Gabriels Thesen sind steil und herausfordernd. Ein Gespräch über die Rolle der Religion in unserer Gesellschaft, über den philosophischen und verzaubernden Gott und die Frage, was Gott von einem Einhorn unterscheidet. Er ist 43 Jahre alt, trägt seit 14 Jahren bereits den Titel eines Philosophieprofessors, schreibt Bücher am Laufband, gilt gerne als Starphilosoph und Bestsellerautor: Markus Gabriel. Er hat mehrere Bücher und Artikel veröffentlicht, in denen er sich mit Themen wie dem Sinn des Lebens, der Existenz Gottes und der Natur der menschlichen Erkenntnis auseinandersetzt. Eines seiner bekanntesten Werke ist «Warum es die Welt nicht gibt», in dem er die Idee einer allumfassenden Welt als Illusion hinterfragt. Gabriel argumentiert, dass der Glaube an Gott nicht auf objektiven Beweisen beruhen kann, sondern eine subjektive Erfahrung ist, die individuell und kulturell geprägt ist. Doch welche Rolle spielt Religion in der heutigen säkularen Gesellschaft? Ist sie noch relevant oder eher obsolet geworden, eine schöne, letzte Illusion der Schwachen? Ist Gott eine philosophische Frage? Gibt es einen Gott der Philosophen? Und hat unser Leben einen Sinn, den wir ihm nicht selbst verleihen? Ein Gespräch unter der Leitung von Ahmad Milad Karimi.
Sat, 02 Sep 2023 - 45 - 20 Jahre 9/11 - eine Zeitenwende?
Einmal mehr waren es Bilder des Schreckens: Zu Tausenden versuchten Menschen am Flughafen von Kabul vor der Machtübernahme der islamistischen Taliban zu fliehen. Was mit einem furchtbaren Terroranschlag begann, endet in einem instabilen, religiös politisierten Mittleren Osten. Vor mehr als 20 Jahren, Ende September 2001, rief der damalige US-Präsident George W. Bush den Krieg gegen den Terror aus. Kurz davor geschah das Undenkbare: Entführte Passagierflugzeuge sorgten vor den Augen der Weltbevölkerung für den grössten Terroranschlag auf US- amerikanischem Boden. 9/11 ging ins kollektive Gedächtnis ein. Kurz danach begann der Krieg gegen al-Qaida und die Taliban in Afghanistan. 20 Jahre später ziehen sich die USA und ihre Verbündeten überstürzt aus Afghanistan zurück. Was die Truppen zurücklassen, nennen einige verbrannte Erde, andere sehen im Fall Afghanistan einmal mehr das Scheitern des Nationbuilding und die Arroganz des Westens. Ist das das Ende des Westens, wie wir ihn kannten, oder «nur» das Ende des Kolonialismus? War der 11. September 2001 eine Zeitenwende? Und: Warum lässt sich ausgerechnet «der Islam» so gut extremistisch vereinnahmen? Darüber spricht Olivia Röllin mit den Islamwissenschaftlern Ahmad Milad Karimi und Stefan Weidner. Wiederholung vom 05.09.2021
Sat, 26 Aug 2023 - 44 - Quo vadis, Türkei?
2023 ist ein Schlüsseljahr für die Republik Türkei. Das Land wird 100 Jahre alt, und der wiedergewählte Präsident Recep Tayyip Erdo?an darf den Vielvölkerstaat weiterhin nach streng nationalistischem Gusto formen. Was bedeutet das für Europa? Und wieviel Religion kann und darf Politik? Ende Mai wurde Recep Tayyip Erdo?an als Präsident der Türkei wiedergewählt. Inzwischen dient er der Republik Türkiye, wie das Land offiziell heisst, seit 20 Jahren, fünf weitere kommen nun dazu. Eine wichtige Zeit, denn vor 100 Jahren wurde die Türkei als Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches gegründet, und Mustafa Kemal Atatürk verordnete Land und Leuten Laizismus und westliche Werte. Genau mit diesem Erbe gerät Präsident Erdo?an allerdings wiederholt in Konflikt und entfernt sich politisch immer weiter von der EU. Der türkische Präsident mache aber auch einiges richtig, erklärt Osteuropahistorikerin Çi?dem Akyol. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern nehme er die konservative, gläubige Landbevölkerung ernst und lässt sie so an der Macht teilhaben. Dass bei ihm Religion und Politik Hand in Hand geht, sorgt aber für grosse Spannungen im Land. Was bedeutet das für den Rest Europas und die Schweiz? Und: Wie nationalistisch kann ein Vielvölkerstaat eigentlich sein? Das klärt Olivia Röllin im Gespräch mit der Journalistin und Autorin Çi?dem Akyol.
Sat, 01 Jul 2023 - 43 - Afghanistan – Das sichtbare Leid der Frauen
Die Taliban fordern eine strikte Geschlechtertrennung. Leidtragend sind vor allem die Frauen. Unter den Taliban werden Frauen diskriminiert, aus dem öffentlichen Raum verdrängt und ihre Rechte werden massiv eingeschränkt. Woher rührt diese Frauenverachtung und welche Rolle spielt dabei die Religion? Seit August 2021 herrschen die Taliban zum zweiten Mal über Afghanistan. Millionen Menschen sind auf der Flucht, die Hungersnot ist omnipräsent. Das Land befindet sich ökonomisch, aber auch gesellschaftlich und kulturell, an einem Tiefpunkt. Insbesondere das Leid der Frauen und Mädchen ist überall im Land spürbar: Mädchen dürfen nach der 6. Klasse keine weitere Schulbildung erfahren, Frauen werden religiös bevormundet und sie dürfen nicht arbeiten. Woher stammt die Taliban-Ideologie? Und wie legitimieren die Taliban ihre Massnahmen? Ausschliesslich religiös? Und welche Rolle spielt dabei der Westen? Ahmad Milad Karimi spricht mit Waslat Hasrat-Nazimi, Journalistin, Autorin des Buches «Die Löwinnen von Afghanistan» und Leiterin der Afghanistan-Redaktion der Deutschen Welle.
Sat, 24 Jun 2023 - 42 - Thomas Hürlimann über die Odyssee seines Lebens
Der Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann sagt, durch seine Krankheit sei er ein anderer geworden. Zweimal ist er fast gestorben, heute ist er 72 Jahre alt. Olivia Röllin spricht mit dem streitbaren Intellektuellen über Schreiben als Ressource, die Kraft der Träume und seine Liebe zu Katzen. Seine literarischen Themen kreisen oft um seine Familie, seine Herkunft und sein Leben. Vor Jahren schwer an Krebs erkrankt, findet er im Schreiben Kraft und verarbeitet die dramatische Lebensbedrohung immer wieder zu Literatur. Auch religiöse Motive durchziehen sein gesamtes Werk. Als Klosterschüler in Einsiedeln gründete er einen Atheistenclub, heute verteidigt er das Gipfelkreuz und plädiert für die lateinische Messe. Im Gespräch mit Olivia Röllin erzählt Thomas Hürlimann, wieso er sich vom kritischen Zeitgenossen zu einem konservativen Beobachter verwandelt hat, wie Träume sein Schreiben beeinflussen und wie ihm sein jung verstorbener Bruder noch heute Kraft gibt. Wiederholung vom 20.12.2020
Sat, 17 Jun 2023 - 41 - Joachim Gauck: Pfarrer, Bundespräsident, Freiheitserklärer
Der Bürgerrechtler und evangelische Pfarrer aus Rostock lebte 40 Jahre in der DDR. Nach der Wende leitete er die Untersuchung der Stasi-Akten und prägte die Aufarbeitung des sozialistischen Überwachungsstaates. Joachim Gauck, deutscher Bundespräsident a.D., im Gespräch mit Ahmad Milad Karimi. Was für ein Leben! Als Junge sieht Joachim Gauck zu, wie sein Vater nach Sibirien verschleppt wird. Er studiert Theologie und erlebt als evangelischer Pfarrer und Bürgerrechtler den Mauerfall und die «friedliche Revolution». Nach der Wiedervereinigung leitet er die Untersuchungen der umfangreichen Stasi-Unterlagen des «Ministeriums für Staatssicherheit» der DDR. 2012 wird er deutscher Bundespräsident. Der Parteilose bezeichnete sich gerne als «linken, liberalen Konservativen». Er gilt als «Mann, der den Deutschen die Freiheit erklärt», ist beliebt, eckt aber auch immer wieder an. Wie beurteilt Gauck heute seine politische Wirkung? Ist ihm die Umsetzung seiner Leitmotive Freiheit, Toleranz und Vertrauen gelungen? Wie blickt er in die Zukunft, und was hat das alles mit seinem christlichen Glauben gemacht? Pfarrer und Bundespräsident a.D. Joachim Gauck im Gespräch mit Ahmad Milad Karimi. Wiederholung vom 19.12.2021
Sat, 10 Jun 2023 - 40 - Anton Zeilinger und der göttliche Zufall
Er ist beharrlich seinen Weg gegangen, und am Ende hat er dafür den Nobelpreis erhalten. Anton Zeilinger ist Quantenphysiker, beschäftigt sich also mit den kleinsten Teilchen unserer Welt, behält aber das grosse Ganze mit im Blick. Religion und Naturwissenschaft sind für ihn kein Widerspruch. Als Kind hat er die Puppen seiner Schwester auseinandergeschnitten. Um herauszufinden, wie sie aufgebaut sind. Heute beamt er kleinste Teilchen von Materie unter der Donau durch oder trifft den Dalai Lama, um ihm die Welt der Quantenphysik näherzubringen. Denn nichts liebt der aktuelle Nobelpreisträger mehr, als anderen Menschen die Schönheit von Formeln zu offenbaren. Dass man bei diesen Nachforschungen auch an ganz elementare Grenzen der Naturwissenschaft gelangt, etwa wenn es um den Zufall geht, spornt Zeilinger umso mehr an. Genau dort komme nämlich die Theologie auf ihre Kosten. Einen Widerspruch zwischen Religion und Naturwissenschaften gibt es für den Quantenphysiker nämlich einzig, wenn beide die jeweiligen Zuständigkeitsgrenzen übertreten. Greift Gott in unsere Welt ein? Woher kommen unsere Naturgesetze? Und was treibt den Forscherdrang von Zeilinger an? Olivia Röllin im Gespräch mit dem Nobelpreisträger für Physik 2022, Anton Zeilinger.
Sat, 03 Jun 2023 - 39 - Sibylle Lewitscharoff: Vom süssen Schwindel der Religion
Tod und Jenseits sind wiederkehrende Themen ihrer Literatur. Was passiert nach dem Tod? Hölle, Fegefeuer oder gar himmlisches Nichts? Olivia Röllin spricht mit der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff über Gott, das Sterben und den süssen Trost der Religion. «Vor dem Tod. Nach dem Tod. Das sind zwei grundverschiedene Arten, die eigene Existenz zu erfahren und auf sie zu blicken»: So schreibt Sibylle Lewitscharoff in ihrem neuesten Roman «Von Oben». Wie schaut man denn sinnvollerweise auf die eigene Existenz und welche Rolle nimmt dabei die Perspektive von oben, vom Transzendenten, ein? Wie kaum eine andere Schriftstellerin schöpft Lewitscharoff aus dem christlichen Kosmos. Sie bezeichnet sich selbst als gläubig, in einer speziellen Art von Volksgläubigkeit. Die Grenzen zum Jenseits lotet sie immer wieder neu aus. Das hat auch biografische Gründe. Ihr Vater beging Suizid als sie elf Jahre alt war. Später studierte sie Religionswissenschaften, immer wieder bezieht sie sich auf biblische Erzählungen. Wo findet sie Trost in der Religion und was hilft gegen die Angst vor dem Tod? Das will Olivia Röllin im Gespräch mit Sibylle Lewitscharoff klären. Wiederholung vom 24.05.2020
Sat, 27 May 2023 - 38 - Johannes Hartl kennt den Sinn des Lebens
Johannes Hartl ist der momentan wohl populärste Theologe Deutschlands. Dass so etwas in säkularen Zeiten noch möglich ist, mag erstaunen. Welche Bedürfnisse und Sehnsüchte bedient und weckt der Philosoph, Autor, Referent und Gründer eines Gebetshauses? Und ist das gut so? Mit Passion und grossem Engagement spricht Hartl zu seinem Publikum, das ihm buchstäblich an den Lippen hängt. Die sogenannten MEHR-Konferenzen werden von Tausenden von Menschen besucht. Das liegt auch an den Themen, die Hartl zur öffentlichen Ansprache wählt. Ihm geht es dabei nämlich stets ums Ganze: um den Sinn des Lebens, um die heilende Kraft der Schönheit und um wahre Verbundenheit. Für Hartl ist klar: Was den Menschen von heute fehlt, ist eine Vision der Zukunft. Diese möchte er mit seinen Projekten und Ansprachen stiften. Manche nennen ihn deshalb einen «Sinn-Guru», andere einen konservativen Katholiken. Wer ist dieser Johannes Hartl wirklich, was treibt ihn an? Und ist solch ein Optimismus in der heutigen Zeit wirklich noch opportun? Olivia Röllin im «Sternstunden»-Gespräch mit Johannes Hartl.
Sat, 20 May 2023 - 37 - Israel wird 75 – Land der Sehnsucht und des religiösen Zwistes
Für Jüdinnen und Juden ist Israel die einzige Heimat, die sie haben. Für viele andere ist das Heilige Land ein Synonym für einen politisch-religiösen Dauerkonflikt, der auch 75 Jahre nach Staatsgründung nicht gelöst ist. Ein Gespräch über Demokratie, religiöse Identität und eine unplanbare Zukunft. Vor 75 Jahren rief David Ben-Gurion in Tel Aviv den Staat Israel aus. Jüdisch und demokratisch sollte das Land sein. Jüdisch, weil es endlich ein Land geben sollte, in dem Jüdinnen und Juden in Sicherheit leben können. Demokratisch, weil es gleichzeitig religiös und kulturell offen sein wollte, auch für muslimische und christliche Palästinenserinnen und Palästinenser. Heute ist Israel eine High-Tech-Nation, die sich in einer der grössten innenpolitischen Krise ihrer Geschichte befindet. Israel ist aber auch eine militärisch hoch gerüstete Besatzungsmacht, die das Westjordanland, Gaza und Ost-Jerusalem und deren Bevölkerung mit komplexen bürokratischen Mitteln kontrolliert und segregiert. Zusammen mit Richard C. Schneider, dem langjährigen Leiter des ARD-Büros in Tel Aviv, und mit dem Schweizer Publizisten und Chefredaktor der jüdischen Wochenzeitung «tachles», Yves Kugelmann, spricht Ahmad Milad Karimi über die Frage, ob es eine interreligiöse Lösung für einen Staat geben kann, der monoreligiös verwurzelt ist, oder ob religiöse Dynamiken derart toxisch überfrachtet sind, dass die eigentliche Sehnsucht der Menschen darin bestünde, sich ein Israel ohne Religion zu wünschen.
Wed, 17 May 2023 - 36 - Michael Patrick Kelly: Jugendidol, Mönch, Superstar
Für Michael Patrick «Paddy» Kelly, einst drittjüngstes Mitglied der weltberühmten irisch-amerikanischen Musikgruppe «The Kelly Family», sind Leben und Musik nicht voneinander zu trennen. Und doch suchte er nach einer Lebenskrise während 6 Jahren Zuflucht in einem Schweigekloster. Ein Gespräch. Michael Patrick «Paddy» Kelly startete seine musikalische Karriere mit der Kelly Family und gehörte ab Mitte der 1990er Jahre zu den erfolgreichsten Interpreten in Europa. Bereits im Alter von 15 Jahren komponierte «Paddy» den Titel «An Angel», der für die Kelly Family 1994 den Durchbruch bedeutete. Mit 27 Jahren dann die grosse Krise: Im Kloster in Frankreich lebte er komplett zurückgezogen als Bruder John Paul Mary und studierte Philosophie und Theologie. Erst als er dort völlig zweckfrei Musik machen durfte, habe er auch seinen inneren Kompass und die Liebe zur Musik wiedergefunden. Bis heute sind das tägliche Gebet und die Bibelmeditation feste Bestandteile seines Alltags, sagt der 44-jährige bekennende Christ. Mit seinem fünften Album B.O.A.T.S. («Based On A True Story») ist er jetzt auf Tour. Jeder Song beschreibe entweder selbst Erlebtes oder wahre Begebenheiten von Dritten, sagt er. Was verbindet Religion und Musik? Wie hat ihn die intrareligiöse Beziehung seines irisch-katholischen Vaters und seiner protestantischen Mutter geprägt? Welche Melodie haben Stille und Schweigen? Und warum wurde er am Grab seiner Mutter zum Blumendieb? Ein Gespräch unter der Leitung von Ahmad Milad Karimi. Eine Wiederholung vom 29.05.2022
Sat, 13 May 2023 - 35 - Was Kinder glauben
Kinder werden gerne als kleine Erwachsene betrachtet. Doch wenn es um Glauben und Religion geht, mutet man ihnen wenig zu. Dabei glauben Kinder sehr wohl, einfach anders. Ein Gespräch mit einer Kinderbuchautorin, einem Liedermacher und einer Religionspädagogin. Die Kindheit hat einen unverfügbaren Wert, sagen Erwachsene gerne. Und doch wird sie nicht selten als eine Art Übergangszeit betrachtet, die man möglichst bald hinter sich lassen sollte. Denn das richtige wahrhafte Leben mit seinen Geheimnissen, Genüssen und Leiderfahrungen sei schliesslich eine ernsthafte – also erwachsene – Sache. Mit der Religion sei es genauso, denken Erwachsene oft. Dabei glauben Kinder sehr wohl. Die Frage ist, wie Religion Kinder erreicht. Und was Kinder damit machen. Dazu werden Debatten geführt, Studien in Auftrag gegeben und Ergebnisse kontrovers diskutiert. Gelingt es Erwachsenen, das Kindsein zu würdigen? Gibt es eine kindliche Spiritualität? Und: Was können Erwachsene von Kindern lernen – auch in Bezug auf die Religion? Darüber spricht Ahmad Milad Karimi mit der Kinderbuchautorin Eva Roth, dem Liedermacher Linard Bardill und der Religionspädagogin Mirjam Zimmermann.
Sat, 29 Apr 2023 - 34 - Mit säkularer Spiritualität gegen planetare Krise?
Wie schafft die Menschheit den Ausstieg aus dem Wachstumsmodell angesichts der drohenden globalen Katastrophe? Mit Selbstachtung und Mitgefühl, mit einer neuen Bewusstseinskultur, die Gottesglaube und organisierte Religionen entschieden ablehnt. So das Plädoyer des Philosophen Thomas Metzinger. Innerhalb der nächsten beiden Jahrhunderte erwartet Thomas Metzinger den «globalen Panik-Punkt», also die Erkenntnis, dass die Katastrophe über die Menschen herfallen wird. Energieverbrauch, Wasser- und Flächenverbrauch, Treibhausgas-Emissionen, die Versauerung der Ozeane, der Verlust der Tropenwälder, das Artensterben: Wir hätten den Übergang von einem wachstumsorientierten, durch Gier, Neid und Dominanzstreben motivierten Wirtschaftsmodell zu einer funktionierenden Suffizienz-Ökonomie nicht geschafft, also zu einer wirklich nachhaltigen und entschleunigten Form des Wirtschaftens. Wenn es um die Klimakatastrophe geht, sei es heute intellektuell nicht mehr redlich, noch optimistisch zu sein. Zu lange schon würde sich die Menschheit «in die Tasche lügen». Metzinger plädiert für eine neue Bewusstseinskultur, ohne Gott und ohne Religion, für eine neue, säkulare Spiritualität, auch mittels Meditation, für eine Geisteshaltung, die westliche Wissenschaft mit östlichen Meditationspraxen verknüpft. Wie soll diese gestaltet sein? Warum besitzen Theologien, Religionen, Glaubensgemeinschaften keine Redlichkeit und keine Überzeugungskraft? Und wie wird die neue Bewusstseinskultur die Menschheit samt Planeten noch retten können? Ein Gespräch unter der Leitung von Ahmad Milad Karimi.
Sat, 22 Apr 2023 - 33 - Kirchenrebell Eugen Drewermann: Über 80 Jahre lang radikal
Eugen Drewermann zählt zu den umstrittensten und gleichzeitig bekanntesten Theologen im deutschen Sprachraum. Der 82-Jährige schaut als Kirchenkritiker und ehemaliger Priester auf ein bewegtes Leben zurück. Bis heute orientiert er sich am Einzelnen, die Institution hat Nachsicht. Dass der Mensch doch endlich frei werde von seinen Ängsten, das gehört zu Drewermanns grössten Anliegen und seinen intensivsten Bemühungen. Bis heute. Und bis heute fährt er gut damit, denn Drewermann ist ausserhalb der römisch-katholischen Kirche ein viel gefragter Redner und eifriger Autor. Für die Institution Kirche ist er zeit seines Lebens unbequem – nicht zuletzt, weil er sich und seinen Analysen trotz aller Disziplinierungsmassnahmen stets treu blieb. Es war 1991, als ihm der Erzbischof von Paderborn die kirchliche Lehrerlaubnis entzog. Ein Jahr später wurde er gar aus dem Priesteramt suspendiert. Mit seinen Analysen und Glaubenssätzen stehe Drewermann in direktem Widerspruch zur offiziellen Lehre, so das damalige Votum. Trotzdem trat Drewermann erst mit 65 Jahren aus der Kirche aus. Weshalb? Im Gespräch mit Olivia Röllin schaut er zurück in seine Kindheit, erzählt von den einschneidendsten Erlebnissen, beschreibt weshalb Dostojewski ihm das Leben rettete und erklärt, weshalb Psychotherapie und Zuwendung besser sind als Strafe. Wiederholung vom 22. November 2020
Sat, 15 Apr 2023 - 32 - Uiguren – das unsichtbare Leid einer religiösen Minderheit
Über zehn Millionen Uiguren leben in der Provinz Xinjiang im Westen Chinas. Als muslimische Minderheit werden sie seit Jahren durch die Regierung systematisch diskriminiert, gefoltert und in Arbeits- bzw. «Umerziehungslagern» gefangen gehalten. Was bedeutet diese Leiderfahrung für ihren Glauben? Umerziehungslagern» gefangen gehalten. Was bedeutet diese Leiderfahrung für ihren Glauben? Die chinesische Regierung geht gnadenlos gegen die Uigurinnen und Uiguren vor. Sie werden überwacht und gezwungen, ihrer Religion und Kultur abzuschwören und sich der Ideologie der Kommunistischen Partei zu unterwerfen. Viele von ihnen sind seit Jahren verschollen, für ihre Familien unerreichbar. Ein unabhängiges Gericht wirft China Genozid an den Uiguren vor. Peking leugnet, dass es sich dabei um Menschenrechtsverbrechen handelt. Das unsichtbare Leid einer religiösen Minderheit: Welche Rolle spielt dabei ihr muslimischer Glaube? Warum genau sind sie Opfer dieser repressiven Politik geworden? Und was bedeutet das für ihren Glauben? Ahmad Milad Karimi spricht mit Andili Memetkerim, Naturheilpraktiker und Präsident des uigurischen Vereins der Schweiz, der vor über 20 Jahren in die Schweiz floh, und mit Paula Schrode, Professorin für Religionswissenschaften mit Schwerpunkt Islam an der Universität Bayreuth.
Sat, 08 Apr 2023 - 31 - Shi Heng Yi: Der selbstbeherrschte Shaolin
Sie sind bekannt für absolute Körperbeherrschung und hartes Training: (die) Shaolin. Mit den Filmen von Jackie Chan oder Bruce Lee ist ihre Kampfkunst Kung Fu auch in der westlichen Welt bekannt geworden. Der deutsche Shaolin Meister Shi Heng Yi im Gespräch mit Olivia Röllin. Shaolin Meister Shi Heng Yi war schon als Kind begeistert von Kampfkunst. Als Vierjähriger begann er sein Training, heute leitet er den sogenannten «Shaolin Temple Europe» bei Kaiserslautern DE. Gemeinsam mit anderen Shaolin Meistern empfängt er dort Menschen, die sich für eine oder zwei Wochen dem Klosterleben hingeben wollen und führt sie ein in die grosse Kunst des Atmens, der Askese und der körperlich anspruchsvollen Selbstbeherrschung, die er selbst seit über 30 Jahren praktiziert. Doch der Sohn vietnamesischer Bootsflüchtlinge ist nicht nur ein Lokalmatador. Auch im Internet ist er sehr präsent. Shi Heng Yi tritt in TEDx-Talks, Podcasts und diversen YouTube-Formaten auf, wo er mit seiner Botschaft ein Millionenpublikum erreicht. Im Gespräch mit Olivia Röllin erklärt er, warum Selbstbeherrschung und Askese wahre Freiheit bedeuten, weshalb er sich bewusst den Schattenseiten des Lebens aussetzt und dass es sich lohnt, jeden Tag zehn Minuten früher aufzustehen.
Sat, 01 Apr 2023 - 30 - «Unorthodox» - Vom Bruch mit der eigenen Vergangenheit
Ihre Bücher wurden zu Weltbestsellern, ihre Lebensgeschichte inzwischen sogar auf Netflix verfilmt: Deborah Feldman. Aus einer ultraorthodox jüdischen Gemeinde in New York geflohen, pflegt sie heute ein Leben, das so für sie nicht bestimmt war. Der Preis dafür war hoch. Ein Gespräch. Die Geschichte über ihren Ausstieg aus der ultraorthodox jüdischen Satmarer-Gemeinschaft hat Feldman schlagartig bekannt gemacht. Ein neues Leben begann, eines, indem sie alle ihre Wurzeln kappen musste und trotzdem immer wieder von ihnen eingeholt wird. Die Neflix-Serie «Unorthodox» zeichnete auf der Basis von Feldmans Memoiren deren Ausstiegsgeschichte nach. Ein Film der sich in zwei Welten bewegt und ausschliesslich jüdische Schauspieler verantwortete. Etwa Jeff Wilbusch. Er ist einer der Hauptdarsteller dieser Serie. Auch er ist ein Aussteiger. Mit 13 verliess er seine Familie, die im ultraorthodoxen Viertel Mea Shearim in Jerusalem wohnte und lebte vorerst auf der Strasse. Auf Umwegen kam er nach Deutschland. Heute ist er ein gefeierter Schauspieler. Olivia Röllin spricht mit Deborah Feldman und Jeff Wilbusch über Welten, in die man nicht hineinpasst, über die Aufholjagd nach Autonomie, die Vergangenheit und deren Fänge in die Gegenwart und darüber, wie man wird, was man ist, wenn man das alte Ich hinter sich lassen möchte.
Sat, 25 Mar 2023 - 29 - Curse – Der meditierende Rapper
Michael Kurth war als Rapper Curse einer der Grössten des deutschen Hip-Hop. Doch auf dem Zenit des Erfolgs brach er alle Zelte ab, reiste nach Indien, begann zu meditieren, wurde Buddhist, erfolgreicher Buchautor und Podcaster. Olivia Röllin spricht mit ihm über das gute Aufhören. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist, sagt man gemeinhin. Dass das kein Rezept ist für gelingendes Aufhören, weiss Michael Kurth, besser bekannt als Curse. 2010, als er als einer der einflussreichsten deutschen Rapper galt, merkte er, dass er zwar den Traum lebte, den er schon als 10-Jähriger hatte, aber trotzdem nicht glücklich war. Er begann zweimal eine Psychotherapie, beendete die langjährige Beziehung, löste sich aus Verträgen und zog aus der grossen Wohnung aus. Als all dies nichts half, machte er sich ganz auf die Suche nach dem «guten Leben». Er, der sich zuvor als gläubiger Christ identifizierte, landete in einem Aschram in Indien und fand in der Meditation eine Ruhe, die er zuvor nicht kannte. Heute ist Michael Kurth Buddhist, systemischer Coach, Yogalehrer sowie zweifacher Bestseller-Autor. Zudem betreibt er einen rege gehörten Podcast rund um das Thema Achtsamkeit, wo er jene Methoden weitergibt, die ihm damals aus seiner Orientierungslosigkeit halfen – und die dazu führten, dass er wieder ins Musikbusiness zurückfand. Im Gespräch mit Olivia Röllin erzählt er, wie man richtig aufhört und neu beginnt, wie dabei der Buddhismus hilft und wie Musik klingt, die aus einem meditativ geschulten Geist kommt.
Sat, 18 Mar 2023 - 28 - Streitfrage – Gibt es Gott? Und wenn ja, wozu?
Ob Atheismus oder eine undefinierte «höhere Macht»: Die europäische Glaubenslandschaft ist im Wandel. Anlass genug, im Haus der Religionen in Bern über die Existenz Gottes zu diskutieren. Die schiere Unendlichkeit des Universums oder die Erhabenheit der Natur, sie trotzen ein Gefühl von Demut und Ehrfurcht ab. Kriege und soziale Ungerechtigkeiten wiederum lassen einen ratlos zurück. Wie könnte ein gütiger, allmächtiger Gott solches Leiden zulassen? Antworten auf scheinbar Unerklärliches wurden seit jeher in Gott gesucht, durch Böses an ihm gezweifelt. Ist Gott vielleicht nur eine menschliche Projektion? Ausdruck eines verzweifelten Wunsches nach Sinnhaftigkeit? Jedenfalls dient der Glaube vielen Menschen als Richtschnur für moralisches Handeln, bietet Orientierung und ist nicht selten eine grosse produktive Kraft. Gottesvorstellungen und Glaube befinden sich allerdings im Wandel. So steigt die Anzahl Menschen ohne Religionszugehörigkeit schweizweit seit Jahrzehnten stetig an. Ein Drittel der Schweizer Bevölkerung bezeichnet sich als Atheistin oder Agnostiker und rund ein Viertel glaubt anstelle von Gott an eine undefinierte höhere Macht. Ist Gott ein Auslaufmodell? Wie weit lassen sich Naturwissenschaften und Philosophie befragen, wo beginnt die Domäne Gottes? Und: Lebt man glücklicher, wenn man glaubt? Darüber diskutieren unter der Leitung von Olivia Röllin im Haus der Religionen in Bern: Philipp Hübl, Philosoph und Atheist, Hans-Dieter Mutschler, Theologe und Philosoph, Kathrin Altwegg, Astrophysikerin, und Dorothea Franck, Buddhistin.
Sat, 11 Mar 2023 - 27 - Gilda Sahebi und die feministische Revolte im Iran
Die deutsch-iranische Journalistin Gilda Sahebi ist eine der zentralen Stimmen, die aus Europa über den Iran berichten. Als Dreijährige musste sie aus dem Land fliehen, mit 14 hat sie ihre ursprüngliche Heimat zuletzt gesehen. In den aktuellen Protesten sieht sie feministische Weltgeschichte. Für «Frau, Leben, Freiheit» gehen die Menschen im Iran seit einem halben Jahr auf die Strasse. Und dies, obwohl das Regime mit brutaler Härte gegen Demonstrierende vorgeht. Allerdings könnten die Bilder, die uns aus dem Iran erreichen, widersprüchlicher nicht sein: Auf der einen Seite die Massen, die das Bestehen und die Errungenschaften der 44-jährigen Islamischen Republik feiern. Auf der anderen Seite Protestierende, die genau diese Republik um den Preis des eigenen Lebens stürzen wollen und dabei von Sicherheitskräften brutal niedergeschlagen werden. Zusammen mit Menschen in Europa und dem Iran hat die ausgebildete Ärztin und Politikwissenschaftlerin Gilda Sahebi die Geschichten dieser mutigen, zumeist jungen Menschen recherchiert, die dem iranischen Regime zum Opfer gefallen sind. Was bewegt und eint diese Menschen? Weshalb nehmen sie Gefängnis, Folter und gar die Todesstrafe in Kauf? Und welche Rolle spielen dabei die Frauen? Olivia Röllin im Gespräch mit Gilda Sahebi über kollektive Traumata, individuelle Träume und warum die Proteste im Iran eine feministische Revolte sind.
Sat, 04 Mar 2023 - 26 - Michael Ignatieff – Vom Trost der Erde
Wer Leid erfährt, braucht Trost. Doch wo finden Säkulare in individualistischen Gesellschaften Trost? Der kanadische Historiker Michael Ignatieff findet Trost in der Gewissheit, dass Intellektuelle, Autorinnen, Musiker und römische Kaiser Jahrhunderte vor uns Trost gefunden und gespendet haben. Trost scheint ein Urbedürfnis des Menschen zu sein, wenn man sich die Menschheitsgeschichte anschaut. Das Buch Hiob, die Psalmen und die Werke so unterschiedlicher Intellektueller wie Marc Aurel, Karl Marx, Primo Levi oder Cicely Saunders sind Quellen der Hoffnung für Michael Ignatieff. Aufgewachsen in Toronto als Sohn russischer Immigranten gehört der Historiker und Autor Michael Ignatieff zu den wichtigsten Intellektuellen im angelsächsischen Raum. Nach einem Abstecher in die Politik in seinem Heimatland, wurde er einer breiteren Öffentlichkeit als Rektor der Central European University bekannt, die 2021 aus politischen Gründen von Budapest nach Wien umziehen musste. Olivia Röllin spricht mit Michael Ignatieff über den Glauben in einer säkularen Gesellschaft, die Kraft des Trostes und warum man manchmal untröstlich ist. Ein Wiederholung vom 23.01.2022
Sat, 25 Feb 2023 - 25 - Sehnsucht Ekstase – Von LSD bis zum Yogaretreat
Von Eisbaden über Meditation bis zu Ayahuasca. Die spirituelle Suche nach Ekstase und Klarheit boomt. Ebenso wie die Forschung mit LSD und Co. Was steckt hinter diesem Revival des Rausches? Ein Gespräch über neue Drogen und uralte Rituale – auf der Suche nach dem grossen Einssein mit der Welt. Ob LSD, Zauberpilze oder Ecstasy – durch den kontrollierten Einsatz psychoaktiver Drogen erhofft man sich derzeit neue Erfolge bei der Behandlung psychischer Erkrankungen. Psychedelische Substanzen wie etwa Ayahuasca spielten aber auch seit jeher in verschiedenen Religionen eine Rolle. Sie können zu mystischen und spirituellen Erfahrungen führen, lösen Gefühle wie Verbundenheit und Einssein mit der Welt und dem Göttlichen aus. Rausch, Trance und Ekstase gibt es aber auch ohne Drogen: beim Tanzen, in der Askese, beim Eisbaden oder der Meditation. Was steckt hinter dem neuen Trend zur Ekstase? Braucht es dazu Drogen? Und wo liegen die Gefahren? Das klären Olivia Röllin und Yves Bossart in einer Begegnung der Sternstunden Religion und Philosophie. Yves Bossart nimmt an einem Schwitzhüttenritual teil. Olivia Röllin spricht im Studio mit dem Psychiater Gregor Hasler (Autor von «Higher Self. Psychedelika in der Psychotherapie») und Benedikt Sarreiter (Co-Autor von «Ekstasen der Gegenwart. Über Entgrenzung, Subkulturen und Bewusstseinsindustrie»).
Sat, 18 Feb 2023 - 24 - Vom Wunder und Fehlen der Berührung
Viele kennen Berührung nur noch vom Touchscreen und berühren das Handy beinahe häufiger als ihre Liebsten. Berührung– sinnlich, seelisch oder geistig - ist jedoch lebenswichtig für uns Menschen. Warum? Und was geschieht, wenn sie fehlt? Ein Gespräch über das Wechselspiel von Berührung und Distanz. Die #MeToo-Debatte hat auf das Ausmass unerwünschter und gewaltsamer Berührung aufmerksam gemacht. Digitale Welten ersetzen den direkten Kontakt. Die Rede ist gar von einer «unterkuschelten, entsinnlichten Gesellschaft». Und das Corona-Virus hat uns eine ungewohnt berührungslose Zeit aufgezwungen: Keine Umarmungen mehr, keine Begrüssungsküsse, kein Händehalten am Krankenbett. Sterbende Menschen wurden gar zu Unberührbaren in den Kliniken. Was geschieht, wenn wir uns berühren und berühren lassen? Was berührt uns überhaupt noch? Gott, der Unberührbare? Berührung hat eine soziale, eine persönliche, eine intime, eine tröstende, eine sicherheitsspendende Bedeutung, aber auch eine religiöse. Worin besteht diese religiöse Bedeutung? Ahmad Milad Karimi im Gespräch mit der Religionswissenschaftlerin Anne Koch und mit Wilhelm Schmid, Philosoph und Autor von „Von der Kraft der Berührung.
Sat, 11 Feb 2023 - 23 - Mohamed Amjahid - Liebe, Sex und Tabus in Nordafrika
Sex ausserhalb der Ehe und mit Menschen gleichen Geschlechts ist in Nordafrika verboten. Gleichzeitig prägen 1001 erotische Geschichten den Blick aus Europa auf den arabischen Raum. Was man in Nordafrika wirklich über Liebe und Sex denkt, wollte Mohamed Amjahid wissen. Und hat genau hingeschaut. Völkerverständigung gehe am besten über die Liebe, meint Mohamed Amjahid. Der Politikwissenschaftler und Autor hat sich deshalb den vielfältigen Formen des körperlichen Begegnens angenommen: der käuflichen Liebe, dem sexuellen Begehren und dem liebevollen Sex. Das tut er allerdings nicht irgendwo: Den Blick ins Schlafzimmer wagt Amjahid ausgerechnet in Nordafrika, wo er selbst aufwuchs und zur Schule ging. Zu lange sei über die Sexualität von Marokkanern und Ägypterinnen gesprochen worden, ohne diese selbst zu Wort kommen lassen. Mohamed Amjahid macht deshalb die Sexualität «orientalischer» Menschen zum Thema seines neuen Buches «Lets talk about Sex, Habibi». Er berichtet von Orgien in einem Bergdorf, über den allabendlichen Zusammenbruch des Internets aufgrund von exzessivem Pornokonsum in Kairo, dem Kondomkauf in salafistischen Apotheken, Kräutern gegen Impotenz und immer wieder über die tragischen Kehrseiten rigider patriarchaler Strukturen. Wie lebt man die eigene Sexualität in einer Gesellschaft, die ausserehelichen Geschlechtsverkehr kriminalisiert? Wie gehen patriarchale Strukturen und sexueller Hedonismus zusammen und warum sind die meisten Apotheken in Nordafrika in Händen frommer Gottesmänner? Mohamed Amjahid im Gespräch mit Olivia Röllin.
Sat, 04 Feb 2023 - 22 - Verschwörungstheorien und ihre Gefahren
Eine Verschwörungstheorie kursiert in der Schweiz: Satanisten-Zirkel würden im Untergrund Kinder quälen, sexuell missbrauchen und schlachten. Für die Anschuldigungen fehlt jeglicher Beweis. Woher also kommen sie und wie gefährlich sind Verschwörungstheorien? Seit der Corona-Pandemie sind Verschwörungstheorien in der öffentlichen Diskussion so präsent wie wohl nie zuvor. Während damals pandemiebezogen von einer geheim organisierten Dezimierung der Weltbevölkerung die Rede war, dominiert inzwischen eine andere Verschwörungstheorie die Schlagzeilen: Jene des rituellen satanistischen Missbrauchs. Recherchen vom SRF Reportage-Format rec. zeigen Haarsträubendes: In mindestens drei Schweizer Psychiatrischen Kliniken ist diese Verschwörungstheorie in die Behandlung von Patient:Innen eingeflossen. Demnach leben und lebten Patient:Innen mit der Vorstellung, von einem unbekannten, satanistischen Täterkreis missbraucht zu werden oder gar selbst Teil dieses Zirkels zu sein und bei rituellen Sessions Babys aufzuschlitzen oder deren Blut zu trinken. Doch in der Realität gibt es keinerlei Beweise für eine solche Täterschaft. Unter dem Begriff «Satanic Panic» war der Glaube an satanistische Gewaltrituale bereits in den 80er und 90er Jahren in den USA verbreitet. Übersteigert wird diese Theorie von der im digitalen Raum geborenen QAnon-Bewegung, die 2016 entstand und inzwischen in über 70 Ländern verbreitet ist. Dass sich Attentäter genauso darauf beziehen wie Personen, die im Januar 2021 das Kapitol stürmten, zeigt die Gefahr solcher Verschwörungstheorien deutlich. Welche Ursprünge und welche Folgen haben Verschwörungstheorien für Vertreter:innen und das Umfeld? Und was haben heutige Verschwörungstheorien mit solchen aus dem Mittelalter zu tun? Olivia Röllin im Gespräch mit der Religionswissenschaftlerin Dorothea Lüddeckens und dem forensischen Psychiater Frank Urbaniok.
Sat, 28 Jan 2023 - 21 - Shinto – Japans verschlungener Weg des Göttlichen
Shinto – Weg des Göttlichen oder der Götter – gilt als wichtigste Religion Japans. Beseelte Wesen, Leben im Einklang mit der Natur, Verehrung der Ahnen und mysteriöse Rituale prägen die von manchen eher als nationale Identität denn als Religion bezeichnete Lebenswelt der Japanerinnen und Japaner. Japan erscheint westlichen Besuchern oft als Mysterium, und das hat nicht nur mit der Sprache zu tun. Das asiatische Inselreich gehört politisch zum Westen, ist aber sozio-kulturell und religiös zutiefst im Osten verankert. Für letzteres steht Shinto, der «Weg des Göttliche» oder «Weg der Götter», eine mit Elementen aus Buddhismus, Kaiserverehrung und Naturreligion undogmatische religiöse Praxis. Doch prägend ist dieser Lebensvollzug allemal. Ob in den unzähligen Schreinen oder durch die bekannte Teezeremonie: physische und spirituelle Reinheit ist Voraussetzung dafür, den Weg des Göttlichen zu gehen. Und mit dem Klimwandel und dem damit einhergenden Erstarken der Umweltbewegung, erfährt Shinto gerade Aufwind. Wie kommt es, dass diese Religion fast ausschliesslich in Japan verbreitet ist? Was hat die Aufräum-Virtuosin Marie Kondo mit Shinto zu tun, und welche Götter leben eigentlich in Robotern? Im Teegarten auf dem Monte Verità spricht Olivia Röllin mit dem Japanologen David Chiavacci.
Sat, 21 Jan 2023 - 20 - 1979 – Als die Religion der Politik das Fürchten lehrte
Das Jahr 1979 ist ein Schlüsseljahr zum Verständnis der Gegenwart. Mit der Revolution im Iran wird der politische Islam zum Machtfaktor und zum Schreckgespenst des Westens. Die Sowjetunion marschiert in Afghanistan ein, Millionen Menschen begeistern sich im kommunistischen Polen für den Papst. Als der letzte Schah am 16. Januar 1979 den Iran verliess, jubelten in Teheran Hunderttausende. Doch die Islamische Revolution, die der aus dem Exil heimgekehrte Ruhollah Chomeini noch im selben Jahr einführte, hatten sich viele anders vorgestellt. Die Islamische Republik Iran, ein schiitischer Gottesstaat, wurde errichtet. Die Politik wurde fortan religiös bestimmt. Religion und Politik – eine Verbindung, die nicht nur im Nahen Osten gang und gäbe ist, sondern auch in Ländern wie Polen, Ungarn oder gar Italien bis heute eine wichtige Rolle spielt. Ahmad Milad Karimi im Gespräch mit Frank Bösch, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung und Professor für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Universität Potsdam.
Sat, 14 Jan 2023 - 19 - Transhumanismus – Traum vom ewigen Leben?
«Der Mensch ist ein Konstruktionsfehler, kann aber optimiert und unsterblich werden»: So denken und daran arbeiten Transhumanisten. Doch wo bleibt im Kampf gegen jegliche Schwäche eigentlich noch der Mensch? Und ist ewig leben überhaupt erstrebenswert? Ein Gespräch. Herzschrittmacher, 3D-Druck von Organen und Gliedmassen, Implantate, die Blinde zu Sehenden machen: Vieles ist bereits möglich oder zumindest in Ansätzen da. Beim sogenannten «Human Enhancement» soll die Leistungsfähigkeit von Menschen durch technische oder chemische Mittel künstlich erweitert werden. Der technologische und medizinische Fortschritt bringt tiefgreifende Möglichkeiten der Erweiterung des Menschen mit sich. Visionen von Cyborgs und einem «Upgrade» des vermeintlich fehlerhaften Menschen lösen aber nicht nur Euphorie, sondern auch Bedenken aus. Welche technischen, aber vor allem auch welche ethischen Herausforderungen bringen diese Technologien mit sich? Wird dabei das Natürliche gegenüber dem künstlich Erweiterten grundsätzlich abgewertet? Wird da der Mensch Gott? Und wie steht es mit der Angst, dass die Menschheit durch etwas selbst Geschaffenes erst übertroffen und dann ausgelöscht werde könnte? Unter der Leitung von Olivia Röllin diskutieren Janina Loh, Technikphilosoph:in und Ethiker:in, und Johannes Hoff, Theologe und Philosoph.
Sat, 07 Jan 2023 - 18 - Niklaus Brantschen und das grosse Schweigen
Zuerst war er Jesuit, dann entdeckte Niklaus Brantschen in Japan den Zen-Buddhismus. Seither verbindet der aus dem Wallis stammende Pater Spiritualität aus West und Ost. Was für manche wie ein Widerspruch klingt, ist für ihn eine Ergänzung. Ein Gespräch über das Schweigen und über die Stille. Stille ist nicht nur das Gegenteil von Lärm, sondern kann auch das Gegenteil von Einsamkeit sein, sagt der Jesuit und Zen-Meister Niklaus Brantschen. 1937 in Randa im Mattertal geboren, entschliesst sich der Sohn eines Bergführers früh für den Jesuitenorden, studiert erst in Deutschland, dann in Japan, wo er den Zen-Buddhismus kennenlernt. Seit über 50 Jahren verbindet er westliche und östliche Spiritualität. Darin sieht er weder Konkurrenz noch Widerspruch, sondern eine wunderbare Ergänzung. Eine Ergänzung, die er gerne auch weitergibt, nämlich im Lassalle-Haus in Edlibach (ZG). Dort lehrt er, der Meister im Schweigen, mehrere Wochen im Jahr die stille Einkehr. Und er weiss, wie die Stille hinter der Stille aussieht – nämlich gross! Ein Gespräch über Stille, Einsamkeit und warum man im Vorteil ist, wenn man Tagebuch schreibt. Diese Sendung ist eine Wiederholung vom 18.04.2021.
Sat, 31 Dec 2022 - 17 - Wozu nützt eigentlich Religion, Hartmut Rosa?
Hartmut Rosa ist einer der bekanntesten Soziologen Deutschlands. In seinen Überlegungen zur Sozialkritik der Moderne nimmt die Religion eine wichtige Rolle ein. Olivia Röllin spricht mit ihm über die Bedeutung der Religion, wozu sie nützt und warum sie trotz Säkularisierung nicht verschwindet. Der Mensch sehnt sich nach Resonanz, da ist sich Harmut Rosa sicher. Sei es in der Interaktion mit Menschen, Dingen wie einem Brotteig oder der Welt als Ganzes, in Form von Religion etwa – überall kann Resonanz entstehen. Diese Beziehungen sind es, die dem Menschen das Gefühl von Selbstwirksamkeit und deshalb auch Lebenssinn geben. Speziell in der Religion sieht Rosa eine Antwortstruktur angelegt, die dem menschlichen Bedürfnis nach Resonanz besonders entgegenkommt. «Es gibt da jemanden, der mich meint und hört und zwar vom Ursprung meiner Existenz her», erklärt er das grosse religiöse Versprechen. Was bedeutet das konkret für den Menschen? Ein Gespräch über die Wirkmächtigkeit der Idee Gottes, Schweizer Berge und die Resonanzfähigkeit von Brotteig. Diese Sendung ist eine Wiederholung vom 05.01.2020.
Sat, 24 Dec 2022 - 16 - Warum beten?
Überall auf der Welt versuchen die Menschen seit jeher mit dem Göttlichen in Kontakt zu kommen. Doch hilft beten? Wie spricht man mit Gott – wenn überhaupt? Geht beten in dieser säkularen Gesellschaft auch ohne Glauben? Ein Gespräch mit dem evangelischen Theologen und Lyriker Christian Lehnert. Interreligiöses Gebet, Fürbitte, Stossgebet, Pilgerreisen oder Mantras: Das Gebet in seinen unterschiedlichsten Formen gehört zur Glaubenspraxis vieler Religionen. Aber wozu beten? Weil man keine Verantwortung für das übernehmen will, was man anrichtet? Ist das Gebet vielleicht bloss ein Handlungsersatz, eine subtile Flucht aus der Verantwortung? Benötigt die Gesellschaft unbedingt einen persönlichen Gott, um zu beten oder kann man auch konfessionslos beten? Vielleicht mit einer spirituellen, alle Zeiten überdauernden Haltung, sich einer Wirklichkeit hinzugeben, die grösser ist als man selbst? Gast bei Ahmad Milad Karimi ist der Dichter und Theologe Christian Lehnert.
Sat, 17 Dec 2022 - 15 - Philipp Blom – Macht euch die Erde untertan?
Diesen berühmten Satz aus der Bibel hätten die Menschen allzu wörtlich genommen und die Erde ausgebeutet, ja gar vergewaltigt, sagt Historiker Philipp Blom. Der Mensch stehe aber nicht über der Natur, sondern sei Teil eines Organismus. Ein Gespräch über Erzählungen, Macht und Unterwerfung. «Macht euch die Erde untertan». Diesen Satz legten die biblischen Autoren der Genesis Gott in den Mund. Und die Menschen nahmen den Auftrag an. Im Zug dessen habe der Mensch nicht nur gesät und geerntet, sondern die Erde regelrecht ausgebeutet, gar vergewaltigt, sagt der deutsche Historiker und Schriftsteller Philipp Blom. Die Unterwerfungsideologie sei längst Teil des Gewebes unserer Gesellschaft geworden. Zwar hat die Bibel diese Idee nicht erfunden, aber sie diente nicht zuletzt den europäischen Kolonialisten als Leitfaden, die Welt zu erobern. Eine Idee, die die Menschheit schliesslich an den Abgrund führte. Wann also hört das auf? Bloms Fazit: Wenn der Homo Sapiens endlich einsieht, dass er ein Primat ist, der sich selbst hoffnungslos überschätzt. Denn eigentlich sei er kein besonders wichtiger Organismus für diesen Planeten und stehe nicht ausserhalb der Natur, sondern sei Teil von ihr. Der Vielschreiber Blom fordert deshalb eine neue Erzählung, eine, die nicht darauf beruht, dass der Mensch über allem steht, sondern sich als kleinen Teil eines grossen Organismus versteht und auch danach handelt. In einem christlichen Haushalt aufgewachsen, hat Philipp Blom später eine Heimat im aufklärerischen Denken Diderots gefunden und sich mit 20 bewusst von der Religion distanziert. Ein Gespräch über die Erhaltung unseres Planeten, die Macht von Erzählungen und warum wir uns verhalten wie 5-Jährige, denen ein Jumbojet überantwortet wurde.
Sat, 10 Dec 2022 - 14 - Nora Gomringer über Heimaten, Tod und Trauer
Sie gilt als eine der wichtigsten deutschen Dichterinnen der Gegenwart. Und sie ist bekennende Katholikin. Nora Gomringer schreibt «ich bin die Christin, die die weissen Westen der Diener Gottes anschwärzt». Damit berührt sie, wühlt auf und eckt an. Die schweizerisch-deutsche Lyrikern Nora Gomringer versteht es, verloren gegangene Erinnerungen und vereitelte Zukünfte in Worte zu fassen. Etwa in ihrem jüngsten Gedichtband «Gottesanbieterin», in welchem sie über den Tod, ihren christlichen Glauben und den Verlust eines guten Freundes schreibt. Sie, die gemäss eigener Aussage seit sie vierjährig ist täglich an den Tod denkt, hat sich innert zweier Jahre von zwei engen Bezugspersonen verabschieden müssen. Wie verändert dieser Abschied den Menschen. Wo ist Heimat? Und kommt sie einem angesichts des Todes eines geliebten Menschen abhanden? Olivia Röllin spricht mit der Bachmann-Preisträgerin über das Verstummen in der Trauer, das Gestaltungspotenzial der Frau in der römisch-katholischen Kirche und über Jesus, «dem seit zweitausend Jahren keiner die Wunden verbindet». Sendung vom 06.03.2022.
Sat, 03 Dec 2022 - 13 - Achtung Menstruationsblut!
Unrein und gefährlich? Bis heute wird die Menstruation gesellschaftlich tabuisiert. Dabei spielen religiöse Reinheitsvorstellungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Längst überholt geglaubte Vorstellungen stigmatisieren noch immer den Prozess des Menstruierens. Was steht hinter diesem Phänomen? Gross war der Aufschrei in den sozialen Medien, als zwei Unternehmensgründer ihre «Pinky Gloves» in einer TV-Sendung vorstellten. Dabei handelt es sich um pinkfarbene Plastikhandschuhe, mit denen Menstruierende vor dem Kontakt mit dem eigenen Periodenblut geschützt und die diskrete Entsorgung von Hygieneprodukten gesichert sein sollte. Periodenblut, etwas Ekliges, gar Peinliches? Selbst in Werbungen für Menstruationsprodukte wird das Blut bis heute entfremdet als blaue Flüssigkeit dargestellt. Was also steckt hinter diesem Verdrängungsphänomen, dieser Unsichtbarmachung? Noch bis ins 20. Jahrhundert wurde der Periode Toxizität nachgesagt und wurden Menstruierende damit geächtet. Von der Antike bis in die Neuzeit haftete dem monatlichen Blutfluss ein Stigma an: Im Sinne der (rituellen) Unreinheit, des Mangels, der Giftigkeit oder als Folge des Sündenfalls. Diese Erklärungen zogen normierende Beschränkungen der Frau mit sich, was nicht zuletzt in der Verweigerung höherer religiöser Ämter resultierte und teilweise noch immer resultiert. Weshalb gilt Blut, zumal weibliches, als unrein? Weshalb schämen wir uns dafür und ekeln uns davor? Und was braucht es, um das Menstruationstabu in unserer aufgeklärten Gesellschaft zum Verschwinden zu bringen? Olivia Röllin im Gespräch mit der Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner und der Indologin und Philosophin Angelika Malinar. Sendung vom 06. Juni 2021.
Sat, 26 Nov 2022 - 12 - Streitfrage Jenseitskontakte
Nachrichten, Zeichen, Botschaften aus dem Jenseits zu erhalten – es ist eine faszinierende Vorstellung. Menschen mit besonderen «medialen» Fähigkeiten bieten an, Botschaften von Verstorbenen zu übermitteln. Was passiert da genau, und wie sind diese Praktiken zu bewerten? Ein Streitgespräch. Der Wunsch, mit verstorbenen Lieben in eine Verbindung zu treten, ist ein urmenschliches Bedürfnis. In fast allen Zeiten und Kulturen sind Versuche überliefert mit den verstorbenen Ahnen in Kontakt zu bleiben. Aus einer Sehnsucht nach konkreten Botschaften und Zeichen heraus lassen sich viele Trauernde von sogenannten «Medien» beraten – so bezeichnen sich Menschen, die über Fähigkeiten verfügen sollen, mit der «geistigen Welt» in Kontakt zu treten. Sie berufen sich dabei auf die Tradition des Spiritismus, der sich in England des 19. Jahrhunderts entwickelte. Während die einen in solchen Kontakten Trost finden, halten andere diese Praktiken für blosse Geschäftemacherei. Wie realistisch ist die Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen mit der «geistigen Welt», mit «Geistwesen»? Auf welchen Jenseitsvorstellungen beruhen diese Praktiken? Der unüberbrückbar scheinende Graben zwischen den Lebenden und Toten – kann er überwunden werden? Im «Haus der Religionen» in Bern diskutiert Olivia Röllin mit dem Medium Andreas Meile, mit Claudia Preis, Vorstandsmitglied der deutschen Skeptiker-Vereinigung GWUP, und mit dem Religionshistoriker Helmut Zander. Wiederholung der Sternstunde Religion vom 28.02.2021
Sat, 19 Nov 2022 - 11 - Streitfrage Gender und Religion
Mädchen oder Junge? Das biologische Geschlecht bestimmt oft den Platz eines Menschen, ob in Gesellschaft oder Religion. Warum ist das so? Und weshalb stellen die neu aufbrechenden Geschlechterordnungen einige Glaubensgemeinschaften vor grosse Konflikte und in Alarmbereitschaft? Seit dem 1. Januar 2022 kann man in der Schweiz unbürokratisch das amtlich registrierte Geschlecht ändern, wenn es nicht mit der eigenen Geschlechtsidentität übereinstimmt. Doch anders als in Ländern wie Deutschland, Kanada, Indien oder Pakistan, die ein sogenanntes «drittes Geschlecht» anerkennen, existieren in der Schweiz bloss die Kategorien «männlich» und «weiblich». Es mag erstaunen, dass die Anerkennung eines «dritten Geschlechts» in manchen Religionen eine lange Tradition hat. Seit Jahrhunderten gibt es etwa in muslimisch oder hinduistisch geprägten Ländern Südasiens Hijras oder in Mexiko Muxes: Menschen, die als Jungen geboren werden, sich aber weiblich kleiden und manchmal auch biologisch zu Frauen werden. Im jüdischen Talmud ist von acht Geschlechtern die Rede. Selbst das Christentum scheint bis in die frühe Neuzeit offener mit Genderfluidität – also mit Menschen, die weder eindeutig Mann noch Frau sind – umgegangen zu sein. Dass nicht alles immer nach binären Mustern verlief, davon zeugen auch Darstellungen von weiblich anmutenden Figuren mit Bart oder von Jesus, aus dessen Wunde am Bauch die Kirche geboren wird. «Sternstunde» fragt: Welche Rolle spielen Religionen in der Bildung von Geschlechtsidentitäten und wie beeinflusst diese? Wie werden Identitäten von Religionen reguliert und kontrolliert? Und wo und weshalb sind Religionen genderfluid und inkludieren (allenfalls) ein drittes Geschlecht in das rituelle Leben? Zu Gast bei Olivia Röllin sind Leyla Jagiella, Ethnologin und Religionswissenschaftlerin, Gregor Emmenegger, Professor für Kirchengeschichte in Freiburg und Marie-Therese Mäder, Medien- und Religionswissenschaftlerin in München.
Sat, 12 Nov 2022 - 10 - Eva und die Erfindung der Ungleichheit?
Eva wurde lange Zeit die Schuld für die Vertreibung der ersten Menschen aus dem Paradies zugeschrieben. Was sagt uns die Paradiesgeschichte puncto Gleichberechtigung von Mann und Frau eigentlich wirklich? Wie stark prägt sie unser Frauenbild? Eine Spurensuche. Durch Eva seien Tod und Sünde in die Welt getreten, so zumindest für lange Zeit die Auslegung in der christlichen Tradition. Jahrhundertelang sollte dieser Mythos die Diskriminierung von Frauen legitimieren. Doch: Das Patriarchat sei bloss eine "Anomalie der Menschheitsgeschichte", das sagt zumindest der niederländische Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe Carel van Schaik in seiner neuesten Publikation. Aber warum gerieten die Frauen in diese Defensive? Wie kam es dazu, dass Frauen um Gleichberechtigung kämpfen müssen? In der «Sternstunde Religion» spricht Olivia Röllin mit dem Autor Carel van Schaik und der feministischen Theologin Christine Stark darüber, was uns biblische Geschichten zur kulturellen Evolution sagen, weshalb Frauenbenachteiligung entgegen einiger aktueller Stimmen nicht in der Natur begründet liegt und seit wann diese Benachteiligung vorliegt. Eine Wiederholung vom 10.01.2021.
Sat, 05 Nov 2022 - 9 - Lilian Thurams Kampf gegen den Rassismus
Lilian Thuram ist einer der grössten Fussballer, die Frankreich je hatte, und ein vehementer Kämpfer gegen Ausgrenzung und Rassismus. Der französische Rekordnationalspieler ist seit dem Ende seiner Sport-Karriere Buchautor und in der antirassistischen Aufklärungsarbeit aktiv. «Man wird nicht weiss geboren, man wird dazu gemacht» schreibt Lilian Thuram in seinem neuesten Buch «Das weisse Denken». Er spricht aus eigener Erfahrung. Mit 9 Jahren kam Thuram aus Guadeloupe nach Paris. Als ihn die Mitschüler als «dreckigen Schwarzen» bezeichnen, versteht er zuerst die Welt nicht. Die Antwort seiner Mutter darauf: «Die Menschen sind nun mal rassistisch. Das wird sich nicht ändern.» Es scheint fast, als wäre diese Erfahrung die Initialzündung gewesen für Thurams spätere Beschäftigung mit dem Thema. Fortan beginnt er sich zu fragen, woher Rassismus kommt und welche Strukturen dafür verantwortlich sind, dass dieser in unserer Gesellschaft so hartnäckig bestehen bleibt. Seine Erkenntnis: Im Grunde geht es nicht um Hautfarben, sondern um gesellschaftliche und politische Konstrukte, die Ausbeutungsstrukturen legitimieren - vom Kolonialismus über die Sklaverei bis in die heutige Zeit. Dass dabei auch Jesus «weissgewaschen» wird, ist nur eine Spielart des sogenannt «weissen Denkens». Olivia Röllin im Gespräch über die verbindende und entzweiende Kraft von Fussball, die Hautfarbe Gottes und verzerrte Perspektiven auf die Welt.
Sat, 29 Oct 2022 - 8 - Christoph Ransmayr: Wie fremd ist uns die Welt?
«Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen.» Das trifft auf den österreichischen Schriftsteller Christoph Ransmayr ganz speziell zu. Viele unbekannte Ecken der Welt hat er beschrieben. Und er reist nicht nur irdisch: Auch im Weltall forscht der preisgekrönte Romancier mit Teleskop. Einst verdiente sich der heute 68-Jährige das Schreiben und Erzählen als Chauffeur, und dies, obwohl er zunächst eine universitäre Laufbahn als Philosoph begann. Heute bezeichnet sich Ransmayr als Touristen auf der ständigen Suche nach der «Enträtselung des Fremden». Er, der als Kind und leidenschaftlicher Ministrant schon von Heimweg geplagt in Tränen ausbrach, wenn er nur das Kreuz des heimischen Kirchturmes aus den Augen verlor. Doch was bedeutet dieses Tourist-Sein jenseits von All-Inclusive und wie bewegt man sich als Tourist durch das Leben? Kommt das menschliche Unglück tatsächlich davon, dass wir nicht ruhig in einem Zimmer sein können, so wie das einst der französische Philosoph Blaise Pascal meinte, oder lässt uns eher die Stubenhockerei verkommen? Was findet, wer so viel sucht? Was zeigt sich, was hinterlässt man an den entlegensten Orten der Welt und was bedeuten irdische und zeitliche Grenzen für den Autor, der beim Blick durch das Teleskop noch immer über das Rätsel der Schöpfung staunt? All das erörtert Olivia Röllin im Sternstunden-Gespräch.
Sat, 22 Oct 2022 - 7 - Iran: Ende der Theokratie?
Im Iran setzen Tausende von Demonstrierenden das Mullah-Regime unter Druck – und riskieren dabei ihr Leben. Brennende Kopftücher werden zum Symbol des Aufstandes und der Befreiung. Ist das der Anfang vom Ende der iranischen Theokratie? Und die Befreiung der iranischen Frauen? Ein Gespräch. Die inzwischen landesweiten Proteste waren ausgebrochen, weil Mahsa Jina Amini wegen eines angeblich falsch sitzenden Kopftuchs von der Religionspolizei in Teheran festgenommen worden und drei Tage später im Krankenhaus gestorben war – offenbar infolge von Misshandlungen. Viele Demonstrierende fordern umfassende Freiheiten und das Ende der Islamischen Republik, des theokratischen Regimes, dem der 83-jährige Ayatollah Ali Chamenei als geistlicher Führer vorsteht. Bei den gegenwärtigen Protesten sind die Frauen die treibenden Kräfte. Neu auch in den sozialen Medien, in denen sich die Frauen filmen, wie sie gegen Sicherheitskräfte protestieren, ihren Schleier verbrennen und sich die Haare abschneiden. Die Islamische Republik gilt als weltweit einzigartiges Regierungssystem. Gegründet nach der Islamischen Revolution von 1979 und dem damit verbundenen Sturz der Monarchie unter Schah Reza Pahlewi beruft sie sich auf den schiitischen Islam und die daraus entwickelten religiösen Vorschriften als Grundlage des staatlichen Handelns. Gewaltenteilung wie in demokratischen Regierungssystemen kennt die Islamische Republik nicht. Auch wenn es im Iran einen Staatspräsidenten und ein gewähltes Parlament gibt, steht über allem der Geistliche Führer. Er wird als der Vertreter des Mahdi betrachtet, einer schiitischen Erlöserfigur, die am Jüngsten Tag erscheinen soll. Ist diese iranische Theokratie nun angezählt? Und welche Konsequenzen hat diese emanzipatorische Revolte für die Religiosität der Menschen vor Ort? Was bedeutet das für die Iranerinnen, die sich bis heute ohne Schleier nicht im öffentlichen Raum bewegen dürfen? Geht es hier um das Tragen des Kopftuchs, um die Religion oder um ein Politikum? Und wie lassen sich im Iran Religion und Politik voneinander trennen? Ahmad Milad Karimi im Gespräch mit Natalie Amiri, iranisch-deutsche Journalistin, die von 2015 bis 2020 das ARD-Studio in Teheran leitete, und mit Azadeh Zamirirad, Politikwissenschaftlerin und Iranexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Sat, 15 Oct 2022 - 6 - Richard Powers – Wir Menschen sind Teil der Natur
Richard Powers schreibt Bücher, die selbst Barack Obama ins Schwärmen bringen. Der preisgekrönte US-amerikanische Schriftsteller plädiert eindringlich dafür, unser Eingebettetsein in die Natur anzuerkennen und uns nicht für die Krone der Schöpfung zu halten. Richard Powers ist ein Multitalent. In seinen Romanen verarbeitet der Pulitzer Preisträger gleichermassen naturwissenschaftliche wie philosophische, religiöse oder musikalische Themen. In jüngster Zeit hat er sich dem verborgenen Leben der Natur und insbesondere jenem der Bäume verschrieben. Er, der lange keine Eiche von einer Buche zu unterscheiden wusste, fand im stark gerodeten Redwood Nationalpark die Liebe zur Natur. Heute gilt seine zentrale Sorge der Entfremdung des Menschen von seiner natürlichen Umgebung. Unsere Kultur sei besessen vom Glauben an die Einzigartigkeit des Menschen und halte die Natur für einen blossen Rohstofflieferanten – dabei seien wir Teil eines grossen Ganzen. Powers ist sich sicher: Um ein Umdenken in der Klimafrage zu erwirken, reichen keine Argumente, es braucht Geschichten. Diese kommen ihm denn auch auf Wanderungen durch die Great Smokey Mountains in den Sinn, einem der ältesten Wälder der Welt, wo Powers inzwischen wohnt. So entstand auch sein jüngstes Buch «Erstaunen». Im Gespräch mit Olivia Röllin erinnert sich Richard Powers an eine prägende Begegnung mit einem jahrtausendealten Mammutbaum, erzählt von der Empathiefähigkeit des Menschen und denkt darüber nach, warum wir das «Konzept Kinder» durch Verwandtschaft ersetzen sollten.
Sat, 08 Oct 2022 - 5 - Sabine Rückert über das Gute und das Böse
Sie hat ein Faible für das Gute und das Böse: Die ehemalige Gerichtsreporterin und Pfarrerstochter Sabine Rückert kennt so gut wie jede Straftat und jede Bibelgeschichte auswendig. Was lernt man aus den bösen Taten anderer Menschen und ist die Bibel die beste Antwort auf die Gräueltaten dieser Welt? «Diese zwei Schwestern machen die Bibel wieder sexy» hatte das Nachrichtenportal «Watson» einmal getitelt. Sabine Rückert wächst als jüngstes Kind in einem Pfarrhaushalt auf, die Bibel ist allgegenwärtig und prägt ihren Wertekanon. Heute führt sie zusammen mit ihrer Schwester Johanna Haberer durch den Podcast «Unter Pfarrerstöchtern», in dem undogmatisch und höchst unterhaltsam über die Bibel gesprochen wird. «Wir wollen einfach die Geschichten erzählen, in denen unsere Kultur wohnt und mit denen wir aufgewachsen sind», sagen sie von sich. Rückert beschäftigt sich aber auch bereits seit über 30 Jahren mit dem Verbrechen. Als Journalistin und Gerichtsreporterin kam sie gar Justizirrtümern auf die Spur. Seit 2018 berichtet sie zusammen mit Andreas Sentker im Podcast «Die Zeit – Verbrechen» davon und erläutert darin die Entwicklung und Aufklärung von vergangenen Straftaten. True Crime-Serien erfreuen sich seit einigen Jahren einer grossen Beliebtheit. Woher kommt diese Faszination an «wahren» Kriminalgeschichten, am Bösen? Steckt das Böse in jedem von uns und ist das Gute wirklich trostlos, wie Kafka einst meinte? Ein Gespräch unter der Leitung von Olivia Röllin.
Sat, 01 Oct 2022 - 4 - Muho Nölke – Besser sterben mit Zen?
Sterben müssen wir alle. Deshalb sei es nie zu früh, sich mit dem Tod zu befassen, sagt Muh? Nölke. Aufgewachsen in einem christlichen Elternhaus in der BRD, stellt sich Nölke früh die Sinnfrage und entdeckt als Jugendlicher den Zen-Buddhismus. Ein Gespräch mit dem Zenmeister und Autor. Viele Menschen fürchten sich vor Krankheit, Alter und Tod. Muh? Nölke kann dies nachvollziehen. Als Siebenjähriger verliert er seine Mutter, eine Erfahrung, die ihn zutiefst prägt und ihn schliesslich die Lebensfreude kostet. Als Jugendlicher entdeckt er aber den Zen-Buddhismus, studiert danach Japanologie und Philosophie und reist mit 22 zum ersten Mal nach Japan, in ein Land, das sich Fremden gegenüber sehr verschlossen zeigt. Doch Muh? Nölke kehrt wieder zurück, lebt in einem buddhistischen Kloster, wird als Mönch ordiniert und schliesslich von seinem Lehrer als Zenmeister ernannt. 2002 wird er gar zum Abt eines Zen-Klosters in den japanischen Bergen berufen. Olivia Röllin spricht mit Muh? Nölke über die vergebliche Suche nach Glück, warum es auf der Welt nicht um uns selbst geht und wie uns das Loslassen in jeder Lebenslage auf den Tod vorbereitet.
Sat, 24 Sep 2022 - 3 - Enissa Amani – Humor als Widerstand?
Sie kennt kaum Tabus, ist sympathisch und klug-frech: die deutsch-iranische Comedienne, Podcasterin und YouTuberin Enissa Amani. Für ihr YouTube-Format «Die beste Instanz» erhielt sie den Grimme Online Award 2021. Ihre Popularität nutzt sie und engagiert sich gegen Rassismus und Unterdrückung. Als Jura-Studentin begann Enissa Amani 2013 mit Stand-up-Comedy. Kurze Zeit später entdeckten sie verschiedene TV-Sender. Als erste deutsche Comedienne erhielt die 40-Jährige ein eigenes Comedy-Special beim Streamingdienst Netflix. Ihre Eltern – ihr Vater Literaturwissenschaftler, ihre Mutter Medizinerin – kamen als Asylsuchende nach Deutschland. Als Oppositionelle waren sie politisch Verfolgte und flohen vor dem Regime. Sie komme aus sehr einfachen Verhältnissen. Deshalb sei sie auch besonders stolz auf das, was sie erreicht habe, so Amani. Für Schlagzeilen sorgte Enissa Amani unter anderem mit einer eigenen Talkrunde zu Rassismus auf YouTube. Dies als Replik auf die «Letzte Instanz»-Sendung des WDR, in der sich laut Amani «fünf ausschliesslich weisse Menschen in einer Talkrunde voller rassistischer Stereotype über Rassismus» unterhielten.
Sat, 17 Sep 2022 - 2 - Mario Botta: «Bauen ist eine heilige Handlung»
Kirchen, Kapellen, eine Synagoge und nun eine Moschee. Es gibt wohl kaum einen zeitgenössischen Architekten, der mehr sakrale Bauten erschuf, als Mario Botta. Olivia Röllin spricht mit dem Stararchitekten über die Rolle heiliger Räume im Städtebau und wie man zwischen Himmel und Erde vermittelt. Mario Botta ist ein Getriebener, einer, der immer arbeitet, auch morgens um drei. Und nicht selten entstehen dabei Sakralbauten. Seine Kirchen und Kapellen stehen in Frankreich, Italien, der Ukraine, Südkorea und natürlich im Tessin. Seit Botta mit 18 Jahren sein erstes Gebäude plante – ein Kirchgemeindehaus – widmet er sich dem Raum zwischen Himmel und Erde. Dabei kombiniert er moderne schlichte Formen mit massiven Materialien wie Naturstein, Holz oder Backstein, also mit gebranntem Lehm. Ein Geruch, den er auch aus seiner Kindheit im Mendrisiotto kennt. Olivia Röllin spricht mit Mario Botta über die Faszination des Sakralen in einer Welt des Konsums, den Zufall des Schönen und die Suche nach dem eigenen Platz im Leben. Eine Wiederholung vom 09.05.2021.
Sat, 10 Sep 2022 - 1 - Yoga – Im Einklang von Körper und Geist?
Die philosophische Lehre des Yoga betrifft Geist und Körper, soll beide zusammenspannen, um zur Vervollkommnung – ja gar Erleuchtung - des Menschen führen. Was ist heute übrig von diesen Ursprüngen? Und sind Yogakurse geradezu ein Paradebeispiel der kulturellen Aneignung durch den Westen? Yoga ist populär. Und weltweit ein Riesengeschäft. Von der klassischen Hatha-Variante, dem schweisstreibenden Bikram-, über das Aerial-Yoga kopfüber in Tüchern bis hin zum Stand-Up Paddle-Yoga auf dem Wasser – Yoga gibt es inzwischen in unzähligen Variationen. Seit 2016 ist es von der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt und für unzählige zum Beruf geworden. Was dabei immer wieder vergessen geht: Yoga ist weder Gymnastik noch Sport. Es geht nicht darum, sich möglichst kunstvoll zu verrenken. Vielmehr ist Yoga ein Lebensweg dessen Philosophie die Kombination aus Bewegung, Meditation und Atemübungen vorsieht. Es ist eine Suche nach Selbstbefreiung durch gezielte Körperkontrolle. Eine Weisheitslehre, die eine ausgeprägte ethische Dimension beinhaltet und auf die Entwicklung des Bewusstseins ausgerichtet ist. Wie sehr verpflichtet eine Tradition? Welche religiösen und philosophischen Hintergründe hat Yoga und wie wurde es in Europa so erfolgreich? Um diese Fragen zu klären, besucht Olivia Röllin die Yoga-Lehrerin Olive Ssembuze in ihrem Yoga-Studio in Zürich und im Sternstunde-Studio diskutiert sie mit der Yoga-Pionierin Anna Trökes und dem Religionswissenschaftler sowie Philosophen Vanamali Gunturu.
Sat, 03 Sep 2022
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